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Der Teufel von Herrenhausen

Der Teufel von Herrenhausen

Titel: Der Teufel von Herrenhausen
Autoren: Marion Griffiths-Karger
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Kehlkopf ist eingedrückt. Hab noch keinen
gesehen, der das überlebt hätte. Sie etwa?«
    Charlotte
verdrehte die Augen. In diesem Moment tauchte grummelnd ihr mürrischer Kollege
Werst auf. »Da bist du ja endlich«, sagte Charlotte, »du könntest dich mal um
die Personalien der Herrschaften da drüben kümmern.«
    Dabei wies sie auf
zwei Männer in schwarz-gelben Westen, die wohl dabei gewesen waren, die Gehwege
zu säubern, und nun rauchend am Teich standen. »Alles, was in der Schubkarre
ist, muss ins Labor«, sagte Charlotte. »Und nimm ihnen, um Gottes willen, die
Kippen weg«, fügte sie missbilligend hinzu.
    »Wenn’s sein
muss«, sagte Henning, griff nach seinem Notizblock und stapfte schlecht gelaunt
zu den beiden Männern hinüber.
    Na, die werden
ihre helle Freude aneinander haben, dachte Charlotte.
    »Wie lange ist sie
schon tot?«, wandte sie sich Wedel wieder zu.
    »Tja, mindestens
seit den frühen Morgenstunden, wahrscheinlich länger.«
    »Wollen Sie sagen,
sie hat den ganzen Tag hier gesessen, und kein Mensch ist misstrauisch
geworden?«, fragte Charlotte ungläubig.
    »Haargenau. Das
wundert Sie doch nicht etwa?«
    »Sie nicht?«
    Wedel schürzte die
Lippen. »Überhaupt nicht. Die Menschen kümmern sich nur umeinander, wenn sie
sich gegenseitig in die Pfanne hauen können.«
    »Ich hab’s ja
immer gewusst«, sagte Charlotte, »Sie können die Menschen einfach nicht
ausstehen, deswegen sind Sie Rechtsmediziner geworden, stimmt’s?«
    Wedel lachte
schallend, was Charlotte angesichts der toten Frau zu ihren Füßen unpassend
fand. Wedel offenbar nicht.
    »Erwischt«, sagte
er und fuhr sich über die Augen. »Aber gucken Sie sich doch mal um, hier liegen
überall Leute rum und faulenzen. Das ist schön unverdächtig.«
    »Wer hat die Tote
entdeckt?« Charlotte wandte sich an den Kollegen Kohlsdorf von der
Spurensicherung, der gerade in seinem weißen Plastikanzug vorbeiging.
    »Männlicher
Anrufer, hat sich nicht zu erkennen gegeben. Wahrscheinlich von einem nicht
registrierten Telefon aus. Wird überprüft«, sagte Kohlsdorf.
    »Sie ist also
erwürgt worden«, stellte Charlotte fest. »Ist sie hier ermordet worden?«
    Kohlsdorf nickte.
»Ja, die runterhängenden Zweige sind eine gute Tarnung, und außerdem ist hier
unterm Baum das Erdreich aufgewühlt. Kampflos hat sie sich nicht ergeben. Dann
hat er sie an den Baum gelehnt und zurechtgesetzt. Clever gemacht, muss ich
sagen.«
    »Könnte das auch
eine Frau bewerkstelligt haben?«
    Kohlsdorf wiegte
den Kopf. »Dann muss sie aber sehr kräftig sein. Und große Hände haben. Habe
noch nie eine Frau erlebt, die jemanden erwürgt hat.«
    »Halte ich auch
für unwahrscheinlich«, mischte sich Wedel ein. »Spricht alles für einen Mann.
Die Hämatome um Mund und Nase sprechen Bände. Außerdem hat er sie
wahrscheinlich gefesselt.« Er wies auf die roten Streifen an ihren
Handgelenken.
    Charlotte nickte
und betrachtete das Gesicht der Toten. Eine hübsche Frau, das konnte man trotz
der Hämatome und geschwollenen Lippen erkennen.
    »Wie alt schätzen
Sie sie?«
    Wedel, der seine
Handschuhe ausgezogen hatte, zuckte mit den Schultern. »Mitte bis Ende vierzig.
Und das wär auch alles, was ich Ihnen im Moment zu sagen habe.« Er hob die
Hand. »Wir sehen uns«, sagte er, drehte sich um und ging schwerfällig davon.
    Meine Güte, dachte
Charlotte, er ist noch dicker geworden. Wenigstens einer, dem es beim Anblick
von Leichen nicht den Appetit verschlug.
    Es war acht Uhr
vorbei, als Charlotte ihre Wohnung in der Gretchenstraße im Stadtteil List
betrat. Sie warf ihren Schlüssel in das kleine Körbchen auf der Kommode und
brachte die Plastiktüte mit dem Abendessen – das sie noch zubereiten musste – in
die Küche.
    »Hallo!«, rief
sie, erhielt aber keine Antwort. Ein Blick in die Küche und der Zustand des
Küchentisches erzählten die gleiche alltägliche Geschichte.
    »Das darf doch
nicht wahr sein«, murmelte sie. Auf dem Tisch lagen drei mit Nutella
verschmierte Messer, und eins steckte im Nutellaglas. Zwei angekokelte Toastbrotscheiben
lugten kalt aus dem Toaster hervor, die Kühlschranktür stand weit offen.
    »Jan!«, schrie
Charlotte und marschierte über den Flur zu dem kleinen Gästezimmer, in dem seit
fast drei Monaten der Sohn ihres Kollegen und Lebensgefährten Rüdiger Bergheim
hauste. Er war fünfzehn und nicht zu ertragen. Jedenfalls war das Charlottes
Meinung, und sie hatte das Gefühl, dass sein Vater genauso dachte, auch wenn er
das
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