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Der Teufel mit den blonden Haaren

Der Teufel mit den blonden Haaren

Titel: Der Teufel mit den blonden Haaren
Autoren: Alexander Borell
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dran, Sie werden nicht schießen und es liegt überhaupt nicht in meiner Absicht, Sie an einer Flucht zu hindern.“
    Er stutzte einen Augenblick, fuhr rasch mit dem Kopf durch sein Hemd, schob einen Arm in den Ärmel, griff wieder zum Revolver und zog das Hemd fertig an.
    „Was soll der Unsinn? Sie würden alles in der Welt darum geben, wenn Sie mich an einer Flucht hindern könnten.“
    Ganz ruhig sagte Walther:
    „Aber Freddy, du solltest wirklich logischer denken. Ich hatte doch meine Waffe, als ich hier eintrat. Und du hattest keine — ich hätte dich doch festnehmen können wie ein kleines Kind, und ich hätte dich sogar über den Haufen schießen können. Warum, meinst du, habe ich das nicht getan?“
    Er sah, daß der Bursche unsicher wurde, wenn auch nur für einen Augenblick, dann sagte er:
    „Alles dummes Geschwätz. Sie wollen mich verrückt machen, damit Sie wieder zu Ihrem Revolver kommen, oder zu meinem — nee, so geht das nicht und darauf falle ich nicht herein.“
    Immer noch ruhig fuhr Walther fort:
    „Ich bin mit der kleinen Mercker verlobt, Freddy. Ich habe kein Interesse daran, daß Sie vor Gericht aussagen. Sie würden doch alles auspacken und das würde meinem künftigen Schwiegervater seine Stellung kosten. Ich hätte hier auch mit einem Funkstreifenwagen aufkreuzen und Sie einfach mitnehmen können. Begreifen Sie nicht, was ich von Ihnen will?“
    Conega nahm seine Jacke von der Stuhllehne und schlüpfte hinein,
    „Nee“, sagte er „auf dem Ohr bin ich zufällig schwerhörig. Das müssen Sie mir schon genauer erklären.“
    „Gut, Freddy. Ich will die Merckers aus dieser ganzen Geschichte heraushalten. Die Landpolizei hat Gabriele Urban gefunden, die sind jetzt draußen an der Arbeit. Aber sie wissen noch nicht, wer geschossen hat. Es läuft auch nach Ihnen noch keine Fahndung, Sie können über die Grenze kommen, sogar dann noch, wenn Sie Geld von Sabine Merckers Sparbuch abheben. Und ich werde schweigen — dadurch haben Sie einen Vorsprung. Nützen Sie ihn aus. Der Polizist wird nicht mehr lebendig, und um die Urban ist es nicht schade — begreifen Sie nun endlich?“
    Einen Augenblick paßte Conega nicht auf, und diese Sekunde genügte Walther, mit einem längst vorausberechneten Sprung die beiden Revolver vom Tisch zu reißen: er hielt sie beide, in jeder Hand einen, auf Conega gerichtet.
    „So, mein Freund, jetzt ist mir wieder wohler.“
    Conegas Gesicht drückte ohnmächtige Wut aus.
    „Verdammter Hund — jetzt haben Sie, was Sie wollten, und ich Rindvieh...“
    Walther unterbrach ihn.
    „Sie haben mich immer noch nicht verstanden, Conega. Daß ich keine Lust habe, mich unterwegs von Ihnen einfach abknallen zu lassen, dürfen Sie mir nicht übelnehmen. Aber mein Angebot halte ich aufrecht.“
    Nun vollends unsicher und verwirrt, fragte der Bursche:
    „Welches Angebot, ich verstehe jetzt überhaupt nichts mehr.“
    „Ich bringe Sie mit meinem eigenen Wagen zur Grenze — los, es ist heller Tag, wir haben keine Zeit mehr, und ich will mit Ihnen nichts riskieren.“
    Conega, primitiv wie alle Verbrecher, fühlte sich plötzlich sicher: dieser Polizeibeamte würde ihn wirklich laufenlassen, weil ihm das Mädel wichtiger war...
    Grinsend sagte er: „Also los, dampfen wir ab.“
    Conega öffnete die Tür und sagte wie nebenbei:
    „Das Sparbuch haben Sie doch?“
    Unwillkürlich machte Conega eine Handbewegung zu seiner Brusttasche, dann lachte er.
    „Natürlich habe ich es — also gehen wir.“
    Zwei Minuten später fuhr Walther mit Friedrich Conega in Richtung Süden davon.

    *

    Alte Leute brauchen manchmal nur wenig Schlaf. Tante Antonie stand jeden Morgen schon um sechs Uhr auf und richtete ihrem Bruder das Frühstück, ehe er zum Dienst nach München fuhr. Pünktlich wie jeden Tag erschien der Richter auch heute um sieben Uhr. Sein Gesicht war blaß, tiefe Ringe unter den Augen ließen nur zu deutlich erkennen, daß er diese Nacht nicht geschlafen hatte.
    „Guten Morgen“, sagte er und setzte sich an den gedeckten Tisch, über dem das Licht brannte. Es war noch dunkel draußen. „Es ist kalt heute, nicht wahr?“
    „Eiskalt“, sagte die alte Dame. „Du solltest dich krank melden, du siehst elend aus.“
    „Ich fühle mich aber ganz gut.“ Er griff nach dem Butterbrot, das ihm seine Schwester gestrichen hatte und schlug das weiche Ei auf.
    Merkwürdig, dachte er, da sitzt man nun und frühstückt und tut so, als lebe man heute das gleiche Leben weiter, das
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