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Der Teufel mit den blonden Haaren

Der Teufel mit den blonden Haaren

Titel: Der Teufel mit den blonden Haaren
Autoren: Alexander Borell
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man gestern und all die Jahre gelebt hat. Und doch ist alles ganz anders. Irgendwann wird man diesen Conega fassen, er wird seine Aussage machen. Es wird einen Skandal geben, auch Walther kann das nicht verhindern. Man wird sagen: seht, so sind die Richter... ich habe versagt...
    Er fühlte Antonies leichte Hand auf seiner.
    „Nichts ist so schlimm, Harald, wie es anfangs aussieht. Hast du eigentlich gewußt, daß Ingrid eine so großartige Frau ist?“
    Er schüttelte den Kopf.
    „Nein, ich habe es nicht gewußt. Ich habe ihr und mir auch bisher nie die Chance gegeben, das zu erfahren. Und deshalb tut es mir jetzt doppelt leid, daß ich sie so enttäuscht habe. — Ich werde mich vorzeitig pensionieren lassen.“
    Sie machte eine Handbewegung.
    „Das hat noch Zeit. Du hast dein Leben lang geglaubt, daß alles nur dann richtig ist, wenn du es selbst machst. Nun wirst du lernen, daß man manchmal auch anderen etwas überlassen muß.“
    „Meinst du Walther?“
    „Ja. Ich glaube, daß er den richtigen Weg findet. Er wird alles in Ordnung bringen.“
    Der Richter schüttelte resigniert den Kopf.
    „Er kann es nicht. Er kann die Tatsachen nicht ändern, er muß die Wahrheit sagen und...“
    „Man lügt nicht, Harald, wenn man schweigt. Trink deinen Tee, sonst ist er kalt. Sabine wird bald heiraten, Toni will demnächst in Heidelberg studieren — es wird leer, das Haus Sonneck, meinst du nicht?“
    „Ja, wahrscheinlich.“
    „Du solltest dir künftig mehr Zeit für deine Frau nehmen, Harald. Sie hat viele, viele Jahre nur für andere gelebt — für dich, für das Haus, für die Kinder. Und niemand hat Zeit für sie gehabt. Du hättest jetzt die beste Gelegenheit, dir Zeit für deine Frau zu nehmen.“
    Er stand auf und schaute auf die Uhr.
    „Vielleicht hast du recht. Du hast für meinen Beruf noch nie viel übrig gehabt, nicht wahr?“
    Sie zuckte mit den Schultern.
    „Es muß auch Richter geben, gewiß. Aber ich meine, man muß ein schrecklich dickes Fell haben, um Tag für Tag über Menschen zu urteilen, ein so dickes Fell, daß man gar nicht merkt, was man diesen Menschen antut.“
    „Man hat eine hohe Verantwortung“, murmelte er.
    Sie lächelte.
    „Nun rede dir doch nicht selbst etwas ein! Kennst du einen Richter, der jemals das verantworten mußte, was er getan hat? Kennst du einen Richter, der jemals seinen Platz geräumt hat, weil er ein Fehlurteil ausgesprochen hatte?“
    Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
    „So sei doch still, Antonie! Sollen wir etwa die Justiz abschaffen, sollen wir die Verbrecher nicht bestrafen, nur weil wir Richter auch Menschen sind? Wer verlangt denn von uns, daß wir unfehlbar sind?“
    „Niemand“, sagte sie ruhig, „aber ihr habt euch selbst unfehlbar gemacht. Du wirst künftig kein guter Richter mehr sein, Harald.“
    „Warum nicht? Weil ich...“
    „Weil du von jetzt an zweifelst. Du mußt jetzt fahren, sonst kommst du zu spät. Und fahre vorsichtig, es hat ein wenig geschneit, die Straße wird glatt sein.“
    „Ja, ja“, murmelte er, „ich werde vorsichtig fahren.“

    *

    Als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, sagte Conega zu Walther:
    „Ich möchte nicht, daß Sie mich bis zur Grenze fahren, ich will vorher aussteigen.“
    „Wie du willst“, sagte Walther, und nach einer Weile fing Canega wieder an:
    „Eigentlich wollte ich den Polizisten gar nicht umlegen. Ich wollte mir nur den Fluchtweg freischießen. Es war reines Pech, daß es den Kerl erwischt hat.“
    „Pech für wen?“ fragte Walther. „Für ihn? Oder für seine Frau? Oder seine Kinder? Oder etwa für dich?“
    „Für mich natürlich. Es wäre alles ganz anders gekommen, wenn ich ihn nicht getroffen hätte.“
    „Dann wäre es beim nächsten Male passiert. Und warum mußte das Mädchen sterben?“
    Conega winkte mürrisch ab.
    „Reden wir nicht davon. Sie war ein Luder, das nur an den eigenen Vorteil gedacht hat.“
    „Du tust das nicht?“
    Conega gab keine Antwort. Sie schwiegen beide lange Zeit. Aber plötzlich wurde Conega nervös. Sie waren nur noch einige hundert Meter von der Stelle entfernt, wo Conega Gabriele erschossen hatte.
    „Verdammt, warum fahren Sie plötzlich so langsam?“
    „Die Straße ist hier im Wald sehr glatt.“
    „Blödsinn, — fahren Sie weiter, verdammt noch mal, was soll denn das... Was wollen Sie denn hier...“
    Walther trat auf die Bremse, der Wagen hielt dicht am Waldrand, wo der Schnee noch zerwühlt war, obwohl sich zarte, weiße
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