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Der Teufel mit den blonden Haaren

Der Teufel mit den blonden Haaren

Titel: Der Teufel mit den blonden Haaren
Autoren: Alexander Borell
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hin. „Für dich.“
    Er winkte ab.
    „Sag, daß ich nicht da bin. Ich habe keinen Dienst, und die sollen sehen, wie sie allein fertig werden.“
    Sabine schüttelte den Kopf.
    „Geht nicht, Walther, Theodor hat schon für dich angenommen.“
    Kriminalassistent Scheurich meldete sich, sagte ein paarmal ja, einmal nein, dann legte er verärgert den Hörer auf.
    „Vorbei mit unserem Wochenende, Bine. Sie wollen mich unbedingt haben. Einer ist in eine Bankfiliale eingebrochen, man hat ihn gestört, und als er floh, hat er wie ein Verrückter um sich geschossen. Ein Polizist wurde schwer verletzt und ist vorhin gestorben. Der Kerl ist getürmt, aber man hat den Wagentyp und einen Teil der Nummer. Außerdem soll noch ein Mädchen beteiligt sein. Ich muß ins Präsidium.“
    Walther Scheurich war siebenundzwanzig, fünf Jahre älter als Sabine. Er hatte im einfachen Polizeidienst angefangen, war durch besondere Leistung aufgefallen und wollte beim Kriminaldienst bleiben. Er wurde das Gefühl nicht los, daß Sabines Vater ihn zwar nicht direkt ablehnte, sich für seine Tochter aber doch wohl einen Akademiker gewünscht hätte.
    Sabine seufzte.
    „Jedesmal das gleiche: wir freuen uns auf ein Wochenende und dann hast du keine Zeit. Bring mich vorher noch nach Hause, ja?“
    Walther schüttelte den Kopf, während er schon dabei war, seinen kleinen Koffer zu packen.
    „Unmöglich, ich kann den Chef nicht warten lassen.“
    „Aber mich, ja?“ schmollte Sabine. „Ich will keinen Mann, der so ist wie Paps: immer zuerst der Beruf. Arbeit hin, Arbeit her, ich bin nicht unvernüftig, aber ich kann auch nichts dafür, daß mein Wagen in der Werkstätte ist und du wieder mal kein Wochenende hast. Wenn du mich heimfährst, kostet das nur eine halbe Stunde Umweg, und inzwischen werden die sich im Präsidium auch ohne dich behelfen können. Wenn wir früher aufgestanden und ausgeritten wären, hätten sie ja auch warten müssen.“
    Walther schloß Sabine in die Arme und küßte sie.
    „Gegen weibliche Logik ist selbst ein Kriminalbeamter nur ein Waisenknabe. Aber warum willst du nicht bleiben, vielleicht bin ich heute abend schon wieder frei?“
    „Dann kommst du zu uns nach Sonneck ‘raus. Ich mag nicht ohne dich hierbleiben.“
    „Also schön, mach dich fertig.“

    *

    Etwa um die gleiche Zeit zog sich Gabriele zum zweitenmal um. Sabines Kleider paßten ihr wie nach Maß geschneidert. Plötzlich öffnete sich lautlos die Tür, Gabriele unterdrückte einen Schreckensruf und starrte auf die merkwürdige Erscheinung, die ungeniert ihr Zimmer betrat: eine alte Dame in einem schwarzen Kleid aus der Jahrhundertwende. Weiße, gestärkte Spitzen verbargen ihren Hals, auf der flachen Brust baumelte schwarzer Jettschmuck. Ein rosiges Gesicht mit tausend Falten wurde von winzigen, schneeweißen Löckchen umrahmt. Helle, graue Augen musterten Gaby.
    „Oh“, sagte die alte Dame, „Sie sind gar nicht Ruth! Ich dachte, ich hätte vorhin Ruths Stimme gehört. Wer sind Sie denn? Es ist schrecklich in diesem Hause, immer kommen neue Gäste, ich kann sie mir gar nicht alle merken. Sind Sie mit Sabine befreundet?“
    „Ja“, sagte Gaby fassungslos. Solche Damen hatte sie bisher nur auf Bildern gesehen. Die alte Dame nickte.
    „Ich bin Haralds Schwester, ich bewohne die Räume neben dem Gästezimmer, aber ich führe noch meinen eigenen Haushalt. Man will doch den jungen Leuten nicht zur Last fallen. Nur das Mittagessen nehmen wir gemeinsam ein. Entschuldigen Sie, ich dachte, Sie wären Ruth, das ist eine andere Freundin von Sabine. Kennen Sie Ruth Marwitz?“
    „Mhm“, machte Gaby und nickte.
    Die alte Dame ging an ihr vorbei zum Fenster, schaute hinaus, drehte sich um und drohte Gaby mit dem Finger:
    „Ländlich sittlich, scheint mir. Sie sollten Ihre Freunde nicht nachts ums Haus schleichen lassen.“
    „Ich sollte... wie bitte? Wie meinen Sie das?“
    Die alte Dame, Antonie Hiller, geb. Mercker, zwinkerte mit den Augen.
    „Ich habe ihn ganz deutlich gesehen. Das kommt davon, wenn man nachts nicht schlafen kann, am Fenster sitzt und in die stille Schneelandschaft guckt. Dieser junge Mann wollte doch sicherlich zu Ihnen?“
    Gaby schüttelte den Kopf. War diese Frau nicht mehr ganz richtig im Kopf?
    „Nein“, sagte sie ein wenig spitz. „Ich pflege keine Bekanntschaft mit jungen Männern, die nachts ums Haus herumschleichen.“
    „Er ist von der Garage herübergekommen“, fuhr die alte Dame unbeirrt fort. „Zuerst dachte
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