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Der Teufel mit den blonden Haaren

Der Teufel mit den blonden Haaren

Titel: Der Teufel mit den blonden Haaren
Autoren: Alexander Borell
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Entsetzen.
    „Verzeihung“, sagte sie leise, „ich wollte bestimmt nicht lauschen, aber... aber ich habe noch gehört, was Sie, Herr Doktor, gesagt haben. Es ist selbstverständlich, daß ich sofort Ihr Haus verlasse. Könnten Sie mich zum nächsten Bahnhof fahren und das Fahrgeld nach München für mich auslegen, ich zahle es Ihnen natürlich sofort zurück.“
    Dr. Mercker starrte sie an. Er baute sich stets in seinem Leben großartige Konzepte auf, verwirklichte sie auch mit zäher Energie, aber er war kein schneller, schlagfertiger Denker. Zerstörte man ihm sein Konzept, brauchte er eine Weile, um den roten Faden wieder zu finden.
    Gabriele, als erfahrenes Mädchen im Umgang mit Männern mindestens psychologisch dem Richter ebenbürtig, erkannte blitzschnell ihre Chance, mit der sie eigentlich schon vorher gerechnet hatte.
    „Bitte“, wiederholte sie beinahe demütig, mit niedergeschlagenen Augen, „bitte bringen Sie mich fort. Ich bin so froh, daß ich diese eine Nacht bei Ihnen verbringen durfte, und ich möchte auf keinen Fall, daß durch mich nun Unfrieden in diesem schönen Hause entsteht.“
    Frau Ingrid, als Kind von ihren Eltern und später in der Ehe von ihrem Mann vor allem Übel behütet, hatte sich eine rührende Naivität und ein mitleidvolles Herz bewahrt.
    Mit ausgestreckten Armen ging sie auf Gaby zu.
    „Aber Kindchen, ich bitte Sie! Mein Mann hat das ganz bestimmt nicht so gemeint, er ist beruflich sehr überanstrengt und manchmal ein wenig nervös, Sie dürfen seine Worte nicht auf die Goldwaage legen.“
    Ein wenig theatralisch ergriff sie Gabys Hände und wandte sich in voller Unschuld ihrem Manne zu. „Harald, sag schnell, daß du es nicht so gemeint hast. Sieh nur, wie du dieses arme Mädchen erschreckt hast! Das kommt aber nur von deinem abscheulichen Beruf.“ Und wieder zu Gaby fuhr sie fort: „Er hat doch immer mit schlechten Menschen zu tun, wissen Sie, und manchmal fürchte ich, daß er den Glauben an alles Gute und Edle im Menschen noch völlig verliert. Sie dürfen ihm nicht böse sein, versprechen Sie mir das?“
    Während dieser ganzen Szene hatten sich Gabriele und Dr. Mercker Auge in Auge gegenübergestanden, als hörten sie keins der Worte dieser Frau. Es war ein lautloses Duell zwischen beiden, und während sich Gaby Mühe geben mußte, den Triumph nicht aus ihren Augen blitzen zu lassen, strengte sich der Richter an, seinen Unmut über diese Wendung zu verbergen.
    Je länger er aber dieses schöne Mädchen anschaute, desto lächerlicher erschien ihm auf einmal sein Verdacht. Wirklich, er sah vielleicht Gespenster. Vor allem aber hatte er damit gerechnet, daß Gabriele Ausflüchte suchen und finden würde, um noch länger hier im Hause bleiben zu können. Ja, er hatte sogar damit gerechnet, von ihr ein wenig erpreßt zu werden. Und da stand sie nun und sagte, daß sie freiwillig gehen wolle.
    Sein Gesicht entspannte sich, er bemühte sich um ein etwas verkrampftes Lächeln, als er sagte:
    „Verzeihen Sie, Fräulein Gabriele, meine Frau hat recht, ich bin überarbeitet und sehe sicherlich manches von einer ganz falschen Warte aus. Ich wollte Sie auf keinen Fall... ich wollte Sie...“
    Seine Frau kam ihm zu Hilfe.
    „Ist ja schon gut, Harald, Fräulein Gaby hat nichts gehört, nicht wahr, Kindchen?“ Sie deutete mit einer Handbewegung in das Gästezimmer, das in bäuerlichem Stile eingerichtet war, bis auf die moderne Schlafcouch. „Sehen Sie, hier kann man es doch aushalten, nicht wahr?“ Und plötzlich strahlte ihr liebes Gesicht vor Freude über diesen neuen Gedanken auf. „Wie steht es denn bei Ihnen mit Urlaub? Könnten Sie nicht Ihre Firma um einige Tage Urlaub bitten, Sie sind so blaß, ich denke, ein paar Tage Ferien würden Ihnen richtig guttun.“
    Wieder holte der Richter Luft, nur so viel, wie er zu einem vorsichtigen und sanften Einwand gebraucht hätte, aber Gabriele kam ihm zuvor.
    „Urlaub?“ sagte sie lachend. „Ich habe den Urlaub vom vorigen Jahr noch gut, dieses Jahr hatte ich auch noch keinen.“
    „Na, sehen Sie!“ rief Frau Ingrid entzückt, „das ist genau ein Wink des Schicksals! Am Montag rufen Sie in Ihrem Büro an, und wenn es sein muß, kann unser Hausarzt, ein sehr netter und entgegenkommender Mensch, auch was für Sie tun. So, Harald, und jetzt wollen wir Fräulein Gabriele allein lassen, damit sie sich ein wenig von dem Schrecken erholen kann.“ Schon in der Tür drehte sie sich nochmals um. „Ich werde ein paar Kleider,
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