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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Miles Standish, am besten wäre es, sich dem Lager am Nachmittag zu nähern, da es manchen Internierten erlaubt war, sich außerhalb des Lagers am Fluß zu waschen. Sie waren dort wenig bewacht – wer würde es wagen, nur mit einer Hose bekleidet zu entfliehen. Auch gab ich ihm ein Zettelchen, das er in der hohlen Hand halten konnte. Ich schrieb darauf: »Frag nichts, sag nichts, geh mit«, ohne Namen, Lion wird meine Handschrift erkennen. Und so geschah es. Das Auto war hinter einem Busch versteckt. Standish gab Lion einen weiten Mantel und ein Kopftuch. Als der Wagen angehalten wurde – Standish hatte seinen amerikanischen Diplomatenausweis –, wurde er gefragt, wer das im Rücksitz sei, und Standish antwortete: »Das ist meine Schwiegermutter.«
    Als Lion in Marseille dem Wagen entstieg – noch in der Verkleidung – fand er mich vor dem Hause des Konsuls, ihn zu empfangen. Miles Standish war verschwunden, wir sahen ihn nie wieder. Es drängte uns, ihm zu danken vom sicheren Amerika aus. Niemand wußte seine Adresse. Ich hörte nur, er habe das Konsulat verlassen – war seine Tat zu kühn, nicht vorschriftsmäßig? Kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht dankbar seiner gedenke. (Was tun Gedanken, warum finden sie nicht die richtige Wellenlänge?)
    Bald kamen Besucher, Besucher seltener Art, geschickt von Hilfsorganisationen, den Quäkern und Mrs. Roosevelt. Als ich damals weinend zusammenbrach, sagte Bingham, er wußte schon von Lions Fall, das Konsulat ebenso wie die Botschaft hatten Weisung, Lion zu finden und nichts unversucht zu lassen, ihn zu retten. Später erfuhren wir, es war eins der kleinen Steinchen, das ins Rollen kam, Hitlers persönlichen Feind, den Verfasser des Romans »Erfolg«, zu retten. Ohne L. F.‘s Wissen hatte ihn jemand von außerhalb des Lagers Les Milles hinterm Stacheldraht stehend photographiert. Der Unbekannte schickte das Bild an Huebsch, den Verleger der Viking Press in New York. Dieser, tief erschrocken, fuhr sofort zu Mrs. Roosevelt nach Washington. Sie zeigte das Bild dem Präsidenten, und die Rettungsmaschine wurde in Bewegung gesetzt. Es erschien zuerst Mr. Frank Bohn, ein Gewerkschaftler. Er hatte durch Mrs. Roosevelt gehört, daß Lion in Frankreich in Gefahr sei. Dr. Bohn, ein energischer Ire mit viel Humor, erfuhr von Konsul Bingham, daß wir bei ihm versteckt sind. Frank Bohn war voll Zuversicht. Er sagte: »Ich krieg Sie raus, koste es, was es wolle.« Er mietete ein italienisches Schiff, das allerdings ziemlich weit weg in einem Hafen lag und mit dem wir nach Afrika fahren sollten.
    Mit Bingham hatte Lion ein seltsames Gespräch. Er sagte: »Wir müssen aus Nizza Heinrich Mann, den Bruder von Thomas Mann, herausholen, und außerdem ist da noch ein Sohn von Thomas Mann, Golo, auch der muß gerettet werden.« Da sagte Bingham: »Ich weiß nicht, ob eine so große Gruppe vorgesehen ist. Wir müssen uns wahrscheinlich entscheiden, welchen von beiden wir einschließen können. Finden Sie, man solle lieber den Jüngeren retten, den Golo, oder Heinrich Mann, der zwar der Bedeutendere ist, aber doch schon sein Leben gelebt hat?«
    Lion sagte: »Ich kann keine Kompromisse machen, man muß beide retten.« Und Bingham ließ sich überzeugen. Golo kam und war dann auch bei Bingham versteckt.
    Wir wußten damals noch nicht, daß auch die Werfels in Marseille waren.
    Es wurde beschlossen, daß wir dreißig Kilometer zu Fuß zu einem Hafen gehen, an dem das Schiff vor An ker lag. Heinrich Mann sagte zu Lion: »Da Sie es mir raten, gehe ich mit.« Er war schon recht alt damals und nicht sehr kräftig.
    Auf einmal kam Herr Bohn und sagte: »Es ist alles aus.« Das Schiff wurde von den Italienern beschlagnahmt. Sie beobachteten, daß dort Proviant eingeladen wurde. Wir hatten großes Glück, daß wir noch nicht an Bord waren.
    Dann kam Varian Fry, Quäker und Professor an der Columbia Universität, und sagte, er arbeite mit dem Roten Kreuz und ist beauftragt, uns zu retten. Auch er wußte von Lion und sagte, Lion und mich und Golo und Heinrich Mann und die Werfels werde er nach Amerika bringen, komme, was da wolle. Er hatte vorher schon den Nobelpreisträger Otto Meyerhof nach Amerika gerettet, und so wäre er gut vorbereitet. Man müsse nach Cerbère fahren an die spanische Grenze und dann durch einen Tunnel unter den Pyrenäen nach Spanien.
    Als er wiederkam, war er sehr verstört. Er sagte: »Plötzlich sind die Vorschriften verschärft worden. Man kann nur durch den Tunnel fahren,
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