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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Skilaufen, mich auf fremdem Gelände zurechtzufinden. Ich prägte mir alles ein, denn eine Landkarte durfte nicht an uns gefunden werden.
    Zuerst ging es durch Weinberge, und dann gab es nurmehr Geröll. Das Wichtigste war, daß man das Zollhaus fand. Sonst wird man als Schmuggler kurzerhand erschossen. Als wir eine ziemlich lange Zeit gestiegen waren, hörten wir plötzlich unter uns Stimmen, und da war das Zollhaus. Wir konnten es aber nicht zusammen betreten, weil ich kein Visum hatte, auch kein Papier auf einen andern Namen. Lion hingegen hatte die amerikanische Einreiseerlaubnis mit dem Pseudonym Wetcheek.
    So ging er allein voraus, und ich, gut versteckt, schaute von oben zu, wie er in das Zollhaus ging, sehr bald wieder herauskam und muntern Schrittes den Berg hinuntermarschierte.
    Dann ging auch ich in das Zollhaus – und da hatte sich Bingham wieder ungeheuer bewährt. Er sagte, man kann in Spanien viel erreichen mit Camel-Zigaretten, und er hat mir den Rucksack vollgesteckt mit vielen Päckchen, auch die Taschen in meinem Kostüm. So bin ich in das Zollhaus gegangen und hab erklärt, ich hätte diese Zigaretten gern mitgenommen, aber ich hörte, es sei hoher Zoll darauf, da laß ich sie lieber gleich hier, und warf einen ganzen Haufen von den Päckchen auf den Tisch. Alle stürzten sich auf die Zigaretten, und einer hat schnell mein Papier abgestempelt, ohne mich oder den Namen anzuschauen. Ich bin noch nie so schnell einen Berg heruntergelaufen.
    Wir hatten vorher mit Herrn Sharp ausgemacht, daß wir uns in Port Boû bei dem Reisebüro Cook treffen. Es befand sich im ersten Stock eines bescheidenen Hauses und war ein bekannter Treffpunkt. Ich bin hingegangen, aber Lion war nicht da, nur Herr Sharp. Ich war erschrocken. Ich hab alle Restaurants abgesucht – es waren sehr viele und eine Unmenge Leute in jedem. Dann kam ich endlich zum besten Restaurant, und da saß Lion vergnügt und aß und sagte: »Setz dich hin und iß mit.« Auf Cook hatte er vergessen.
    Am nächsten Morgen fuhren wir weiter nach Barcelona. Dort erwarteten uns neue Schwierigkeiten. Wir mußten nach Lissabon, aber wir konnten das Flugzeug nicht nehmen; es war die Maschine der Deutschen Lufthansa. Dazu war es Sonntag, und wir brauchten Geld; das konnten wir nur beim amerikanischen Konsulat bekommen, doch das war geschlossen. Aber da war ja unser energischer Reverend Sharp. Er hat einfach den Konsul in seiner Privatwohnung aufgesucht und sich so viel Geld verschafft, daß wir den Zug nehmen konnten.
    Bevor wir aber abfuhren, hatte Sharp ein Anliegen. Er bat Lion, mit ihm zu der protestantischen Gemeinde zu fahren. Sie hatte eine kleine Universität außerhalb der Stadt. Die Protestanten wurden in dem katholischen Spanien Francos unbarmherzig verfolgt. Sie mußten die Schulen schließen, da alle Lehrer eingesperrt waren. Und – so sagte Sharp – es wäre ein großer Trost für die Kirche, wenn Lion sie aufsuchte. Vielleicht könnte man auch Lion überreden, etwas in Amerika für sie zu tun. So fuhren wir zu den Protestanten, und es war für alle ein großer Tag.
    Sharp erfuhr, daß man ungefährdet nur im Schlafwagen fahren könnte, die würden von der Polizei nicht untersucht. Das Geld reichte aber nur für zwei Plätze. So fuhr ich dritter Klasse; denn Sharp wollte Lion natürlich nicht aus den Augen lassen. Er gab Lion auch seine Aktenmappe mit dem großen roten Kreuz darauf. Diese sollte Lion mit sich tragen, wo immer er gehe. Und das war gut so.
    Denn als Lion in den Waschraum des Schlafwagens ging, tat sich die Türe des andern Abteils auf, und ein Nazi-Offizier in voller Uniform stand da. Er grüßte militärisch und sagte auf englisch: »Ah, das Rote Kreuz«, und Lion bejahte es. Der Offizier sprach englisch mit preußischem Akzent und Lion mit bayrischem.
    Die dritte Klasse war vollkommen besetzt, und ich mußte stehen. Ich war immer noch nicht ganz erholt vom Konzentrationslager; vor allem, wenn ich länger stehen mußte, sind mir die Beine stark angeschwollen. Und da stand ich und sah offenbar sehr elend aus, denn es kam ein älterer Mann und sagte: »Was ist denn mit dieser jungen Frau? Die muß doch einen Sitzplatz haben«, und er ging durch den Zug, um für mich zu suchen. Als er wieder zurückkam, wir sprachen beide französisch, sagte er: »Sehen Sie, ich hab Platz gefunden. Jetzt kommen Sie gleich mit mir.« Mir war das gar nicht recht, ich wollte kein Aufsehen erregen. Doch ich bin mit ihm gegangen, und wirklich, da war
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