Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
wenn man eine Ausreise-Erlaubnis hat.« Und niemand von uns hatte ein solches Papier. Es blieb nichts anderes übrig, als über die Pyrenäen zu steigen. Alle waren besser daran als wir; Werfel war Tscheche, Heinrich Mann hatte ein tschechisches Papier, ebenso Golo Mann.
    Dann nahm Varian Fry Lion beiseite, um ihm zu sagen, daß alles in Ordnung sei, aber er, Lion, wäre zu gefährlich für die andern. Die ganze Rettungsaktion könne durch uns mißglücken. Lion hat die Gründe gut verstanden.
    In der ersten Ausgabe seines Buches »Surrender on Demand« (»Auslieferung auf Verlangen«) schrieb Varian Fry: »Feuchtwanger saß unbeweglich an dem kleinen Gartentisch, als wir ihm sagten, was geschehen war. Er nahm die Nachricht mit Ruhe auf. Viele Wochen hatte er gewartet – und nun war alle Hoffnung verloren. Während des Abendessens war er heiter, als wäre nichts geschehen.«
    Lion sprach kein Wort zu mir. Er setzte sich an seinen Tisch in unserm Dachzimmer und schrieb weiter am letzten Teil der »Josephus-Trilogie«. Er schlief, als ich in der Mitte der Nacht aufstand, um Golo zu wekken und ihm sein Frühstück zu bringen. Golo war so verschlafen, daß ihm dies alles gar nicht zu Bewußtsein kam. Ich verschwand, ohne ihm Adieu zu sagen.
    Ein neues Steinchen setzte sich in Bewegung. Um auszureisen aus Frankreich, brauchte man ein amerikanisches Einreisevisum. Der Name Feuchtwanger war zu gefährlich. Bingham hatte einen Einfall. Er fragte Lion, ob er nicht einmal unter einem Pseudonym veröffentlicht hätte. Und da fiel Lion ein Scherz ein, den er sich in Berlin geleistet hatte. Es war lange her, als er, angeregt durch Sinclair Lewis’ Buch »Babbitt«, im Berliner Tageblatt amerikanische Balladen veröffentlichte, gezeichnet J. L. Wetcheek. Das war die englische Übersetzung seines Namens. So konnte das amerikanische Konsulat ein Papier ausstellen auf den unauffälligen Namen Wetcheek. Alles, was nötig war, wurde von Bingham vorbereitet. Doch wie kamen wir aus der Falle?
    Endlich ein Durchbruch.
    Es traf aus Amerika ein Herr Sharp ein. Dr. Fritchman, Pastor der Unitarischen Kirche in Los Angeles, hatte direkte Beziehungen zu Mrs. Roosevelt und wurde von ihr gebeten, sich für Feuchtwanger einzusetzen und alles zu tun, was irgend möglich war. Er veranlaßte Waitstill Sharp, Pastor der Bostoner Unitarischen Kirche, sich unverzüglich nach Marseille zu begeben. Da stand er nun im Garten und sagte zu Lion: »Ich bin nur für Sie hergeschickt worden«, und er schien voll Zuversicht. Auch seine Frau war in Marseille. Sie kam gerade aus der Tschechoslowakei, wo sie Hunderte von jüdischen Kindern gerettet hatte.
    Zunächst: wie kommt man auf den Bahnhof?
    In Marseille waren Wachen an der Sperre, und man mußte einen Ausweis haben, um reisen zu können. Diese Schwierigkeit hat Frau Sharp auf geniale Weise gelöst. Sie fand heraus, daß ein Hotel direkt in den Bahnhof gebaut war. Sie mietete dort ein Zimmer für sich, und da kam ihr noch ein Zufall zu Hilfe. Das Gepäck der Reisenden wurde innerhalb des Hotels durch eine kleine Unterfahrt direkt an die Rampe gebracht, während die Reisenden selber um das Hotel zur Sperre gehen mußten.
    Wir gingen in der Nacht zu dem Hotel und auf ihr Zimmer und von da direkt in den Keller und durch diesen Tunnel an die Rampe.
    Als wir dann im Zug waren, schien uns, als sei eine große Schwierigkeit überwunden. Wir fuhren nach Narbonne, mußten dort den Zug wechseln und sahen uns die schöne alte Stadt an. Sharp war etwas nervös, aber er ging tapfer mit. Dann weiter nach Cerbère am Fuß der Pyrenäen. Und jenseits der Berge war Spanien. Sharp machte Erkundigungen und kam bestürzt zurück. Es hatte sich bewahrheitet: ohne Ausreiseerlaubnis konnte man nicht mit dem Zug nach Spanien. Wir müssen über die Berge steigen.
    Zunächst glaubte unser Mr. Sharp, er könne vielleicht die Wachen bestechen an der Grenze, so daß wir über die Landstraße gehen könnten. Einige waren auch interessiert und wollten gern den Emigranten helfen, aber andern hat er nicht getraut. Außerdem wurden die Wachen ständig abgelöst. Es war zu unsicher.
    Sharp kam mit einem jungen Amerikaner namens Ball zurück. Er war von Varian Fry beauftragt, sich unser anzunehmen, und zeigte mir die Route auf der Landkarte. Er selbst wagte nicht mitzukommen. Er sagte, wir müssen ohne Weg so steil wie möglich heraufklettern und die Straße nicht benützen. Wir waren beide gute Bergsteiger, und ich war es gewohnt vom
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher