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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen
Autoren: Friedrich Glauser
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schwarze Messen halten können.« Dann nach einer längeren Pause. »Sind die Brüder Rosenstock denn so reich, daß sie sich Häuser kaufen können?«
    »Der Advokat verdient gut«, sagte Herr Despine. »Der Vater der Brüder hat auch ein wenig Vermögen hinterlassen. Und Wladimir soll Geld verdienen mit der Zusammenstellung von Rezepten für die chemische Industrie.«
    »Rezepte? Was für Rezepte? Etwa Schlafmittel?«
    »Wie kommen Sie auf Schlafmittel, Kommissar? Es stimmt nämlich zufällig.«
    »So, so«, sagte Pillevuit und stieg ins Auto.
    »Die Herren kennen sich doch?« fragte Herr Staatsrat Martinet mit öliger Stimme. Er saß hinter seinem riesigen Schreibtisch, die dicken Unterarme lagen vor ihm auf der Platte, und er sah mit beweglichen Schweinsäuglein von dem einen seiner Besucher zum andern.
    Aber die Besucher schienen schlechter Laune zu sein. Sie sahen einander nicht an, sie glotzten beide gereizt auf den feisten Herrn hinter dem Schreibtisch.
    »Oder kennen sich die Herren nur telephonisch?« fragte der Herr Staatsrat weiter. Das Zimmer war sehr groß, ein grauer Teppich, sehr dick, bedeckte den ganzen Boden. Das hohe Fenster stand offen und die beiden Besucher warfen von Zeit zu Zeit sehnsüchtige Blicke nach diesem Fenster. Aber es schien unerreichbar. Denn hinter jedem Besucher stand ein Mann in Uniform (den einen dieser Männer kennen wir, es ist Polizist Malan, mit dem kupferroten Schnurrbart).
    »Die Herren sind so schweigsam«, sagte Staatsrat Martinet. »Vielleicht werden sie gesprächiger, sobald sich ihr Auditorium vermehrt hat.« Herr Staatsrat Martinet drückte auf eine Klingel. Dem Gerichtsdiener, der unter der Türe stehen blieb, befahl er, Herrn Untersuchungsrichter Despine zu rufen und den Kommissar Pillevuit zu suchen. Herr Martinet hatte eine starke Abneigung gegen das Telephon. Er selbst telephonierte nur selten. Lieber ließ er sich anrufen.
    Links von Herrn Martinet saß ein Mann mit großporiger Gesichtshaut. Dieser hatte die Hände in den Taschen vergraben, ein Bein über das andere geschlagen und blickte ziemlich wütend drein. Der Mann, der, ebenfalls bewacht von einem Polizisten, rechts von Herrn Martinet saß, hatte eine gelbe Gesichtsfarbe und war damit beschäftigt, an den Enden seines langen Chinesenschnurrbarts zu kauen.
    »Ich habe Geduld gehabt«, sagte Herr Martinet gedankenvoll, »ich habe mir das Theater eine Zeitlang angesehen.« Es war nicht klar erkennbar, an wen sich Herr Martinet wandte, vielleicht übte er sich nur in Monologen. »Aber einmal wird auch mir die Geschichte zu dumm. Sie haben einen Fehler gemacht, Herr Jaunet«, (Staatsrat Martinet behandelte auch überführte Verbrecher immer mit Höflichkeit), »die Art, wie Sie den Ihnen anvertrauten Patienten um die Ecke gebracht haben, war allzu auffällig. Das mußte Fräulein Lemoyne doch auffallen. Und ein weiterer Fehler war es, auf Fräulein Lemoynes Verzweiflung über diesen Tod zu spekulieren. Sie wollten ihr doch einreden, sie habe einen Kunstfehler begangen, als sie die Spritze verschrieb? Sehen Sie, solche Sachen fallen auf. Sie haben auch nicht bedacht, daß sowohl mir, als auch dem Direktor der Anstalt die Zunahme der Patienten im letzten Jahre auffallen mußte, daß ich daher den Direktor gebeten hatte, mich über alle merkwürdigen Vorkommnisse in seiner Anstalt auf dem laufenden zu halten. Und natürlich hat er mich sofort von Nydeckers Tode benachrichtigt. Sie sehen, ich spiele mit offenen Karten. Wir hatten übrigens schon das Gespräch abgehört, das jener Herr –« Herr Martinet wies mit dem dicken Zeigefinger auf Baranoff, »mit Ihnen geführt hat. Was ich Sie fragen wollte, wer ist nun der Meister?«
    Herr Jaunet schwieg. Die Tür ging auf, Untersuchungsrichter Despine trat ein, ihm folgte der Kommissar Pillevuit.
    »Guten Tag, meine Herren«, sagte Herr Martinet gnädig, blieb sitzen und winkte mit der Hand einen Gruß. »Setzen Sie sich, Sie haben Ihren Schreiber nicht mitgebracht, Herr Untersuchungsrichter? Schadet nichts. Die Sache bleibt ja vorläufig noch unter uns… bis heute abend. Ich gedenke heute abend Schluß zu machen. Hoffentlich kommt nichts dazwischen. – Also, Sie wollen uns nicht verraten, wer der Meister der gelben Himmel ist, Herr Jaunet?«
    »Ich kenne ihn nicht«, sagte der Oberwärter Jaunet.
    »Heißt das, daß Sie seinen Namen nicht wissen, oder daß Sie nie mit ihm gesprochen haben, oder daß Sie ihn nie gesehen haben?«
    »Ich habe nur mit ihm gesprochen,
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