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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen
Autoren: Friedrich Glauser
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entweder durchs Telephon oder wenn er sein Gesicht mit einer Maske bedeckt hatte…«
    »Hören Sie das, Pillevuit? Klingt das nicht verzweifelt nach Kolportage? Entweder ist dieser Meister verrückt, oder er schauspielert gerne. Ich begreife ja, daß man zu solchen Tricks greift, um zu imponieren, um für die eigene Sicherheit zu sorgen. Aber Holzmasken, warum Holzmasken?«
    »Es war eine Negermaske«, sagte Baranoff plötzlich.
    »Sie haben ihn also auch gesehen, Herr Zweiundsiebzig oder wie Sie sonst heißen mögen. Wollen Sie mir nicht anvertrauen, warum Sie an dieser Sektengeschichte teilgenommen haben?« Die Stimme des Herrn Staatsrates war unwiderstehlich freundlich, und Baranoff, der ausgekochte Baranoff, wunderte sich, daß er ohne Protest antwortete.
    »Es war praktisch, Herr Staatsrat, sehr praktisch. Ich habe viel Dinge, viel wichtige Dinge erfahren in den Versammlungen, wenn die Leute in ihrem Rauschzustand waren. Und für mich war es ja ein Glück, daß Nydecker schon vor meiner Ankunft dabei war, durch ihn habe ich ja dann alle Dokumente von Crawley bekommen. Eltester, der Apotheker, war in dieser Beziehung sehr anständig zu mir. Er hat mir geholfen, wo er konnte, vielleicht aus Dankbarkeit, weil ich damals zur rechten Zeit anwesend war – Sie wissen ja, bei jenem Raubüberfall…«
    »Herr Zweiundsiebzig, Sie sind ein Schmeichler. Sie kennen meine schwache Stelle. Sie wissen, wie stolz ich auf meine Privatpolizei bin. Wenn Sie mir noch ein wenig helfen, meine liebe Nummer (›mon cher numéro!‹ sagte Martinet), so werden Sie keinen Advokaten nötig haben, so werde ich versuchen, die Übereilung meines Kommissars wieder gutzumachen. Pillevuit«, wandte sich Herr Martinet streng an den Kommissar, »was fällt Ihnen ein? Sie kriechen doch jedem anonymen Schwätzer auf den Leim. Ich hätte nicht geglaubt, daß Sie sich von einem jungen Bürschchen an der Nase herum führen ließen. Diesen Herrn da zu verhaften!«
    »Herr Staatsrat…«, stotterte Pillevuit, »ich glaubte das Richtige veranlaßt zu haben. Und Sie waren nicht zu erreichen. Übrigens war der Besitz der Mappe doch wirklich…«
    »Belastend? Meinen Sie wirklich? Und Sir Avindranath Eric Bose hat sich natürlich herzlich bedankt für die Rückerstattung? Oder? Ach, Pillevuit! Das einzige Dokument, das den Herrn Landverweser wirklich interessierte, war ja gar nicht in der Mappe. Und die Mappe hat er schon vorher in Händen gehabt. Ich habe nämlich heute meine Hände in einem großen diplomatischen Spiel gehabt – meine Kenntnis des Piketts ist mir da sehr zustatten gekommen. Doch das sind Dinge, die Sie nichts angehen. Lieber Herr Zweiundsiebzig, oder beleidigt es Sie, wenn ich Sie immer mit Ihrer Nummer anrede…?«
    »Gar nicht, Herr Staatsrat«, grinste Baranoff, »es ist nämlich meine alte Nummer, aber wem verdanken Sie ihre Kenntnis?«
    »Oh, ich habe Freunde, ich will lieber sagen: Wir haben gemeinsame Freunde, Sie verstehen mich doch?«
    Baranoff nickte.
    »Aber«, fuhr der Herr Staatsrat fort, »können Sie mir nicht verraten, wo die geheimnisvollen Sitzungen abgehalten werden? Sie wissen wohl, welche ich meine?«
    »Früher versammelte sich ein kleiner Kreis bei dem Apotheker Eltester, wo aber die großen Versammlungen abgehalten wurden, weiß ich nicht…«
    »Aber ich weiß es«, sagte Kommissar Pillevuit.
    »Sie wissen es sicher?« fragte Martinet.
    »Ich glaube es zu wissen«, korrigierte sich Pillevuit.
    »Und wo?«
    Aber Kommissar Pillevuit konnte nicht mehr antworten. Denn es wurde energisch an die Türe geklopft und auf das »Herein!« Herrn Martinets trat Staatsanwalt de Morsier ein.
    »Ah, mein lieber Procureur!« Herr Martinet jauchzte schier. »Endlich sieht man Sie wieder. Nun, wie ist es? Nehmen Sie den Urlaub an, den ich Ihnen angeboten habe? Ja? Ausgezeichnet. Ich sehe in Ihrer Hand ein grünes Büchlein. Ihr Paß? Wie klug. Erneuert soll er werden? Aber selbstverständlich. Kommen Sie her! Wie gut begreife ich Sie, daß Sie ins Ausland wollen und noch besser begreife ich Sie, daß Sie sich nicht an das Paßbureau wenden wollen. Wir machen das ganz ›en familie‹. Ich will sogar Anweisung geben, daß man Ihnen Ihr Salär für die nächsten sechs Monate – denn solange nehmen Sie doch sicher Urlaub – auszahlt. Nichts zu danken, mein lieber Procureur. Der große Baumeister wird Sie beschützen. Reisen Sie, reisen Sie. Und Ihre liebe Frau werde ich unter meine besondere Obhut nehmen.«
    Herr de Morsier
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