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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen
Autoren: Friedrich Glauser
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Malan auch gehorsam um das Tramhäuschen, steigt Treppen hinab und gelangt in einen weiß gekachelten Raum.
    Es ist sehr still hier, Fliegen summen um eine einsame Glühbirne, die rötlich leuchtet. Geschlossene Türen mit der Aufschrift: »Öffnet sich nur nach Einwurf eines 20-Centimes-Stücks.« Alle Türen, an denen Malan vorbeischreitet, tragen noch ein anderes bewegliches Täfelchen, das anzeigt, daß die Kabine »frei« ist. Nur die letzte Tür ist angelehnt, das Schild verschoben, ein Spalt klafft. Malan lauscht. Nur Fliegen summen. Kein Atemzug. Er will die Tür vorsichtig aufstoßen, da wird sie von innen aufgerissen, Malan will zugreifen, ein harter spitzer Schädel bohrt sich in seine Magengrube – später, viel später, als im Samariterkurs der »Plexus solaris« durchgenommen wird, denkt er still Aha! sonst nichts – und er setzt sich auf die Fliesen. Seine aufgesperrten Augen nehmen dennoch ein Bild auf: zwei Beine, die über die Stiegen verschwinden.
    Sie stecken in weißen Tennishosen.
    Malan geht die Stufen hinauf, sieht sich oben um, der Platz ist leer. Auch der Professor scheint verschwunden zu sein. Auf der Bank liegt der junge Mann, mit halbgeschlossenen Augen, sein Atem geht pfeifend.
    Doch da ist der Professor! Deutlich ist er in der Telephonkabine zu sehen, er gestikuliert und spricht aufgeregt in den Trichter. Dann hängt er den Hörer an und kommt heraus.
    »Haben Sie niemanden gesehen?« frägt Malan. Der Professor schüttelt den Kopf. Er hat seinen breitrandigen Hut auf den Hinterkopf geschoben, seine weißen Haare schimmern feucht. Die Nacht ist sehr schwül.
    »Es ist mir nämlich jemand begegnet, dort unten«, sagt Malan. Dabei preßt er die Fäuste in die Magengrube.
    »Sind Sie verletzt?« erkundigt sich der Professor besorgt.
    Malan schüttelt den Kopf. Dann öffnet er die geballten Fäuste. Aus der Rechten fällt etwas zu Boden, das im Lichte metallisch schimmert. Malan bückt sich, er erinnert sich, daß er beim Hinfallen etwas unter seiner Handfläche gespürt hat, – und seine Finger haben sich unbewußt um dieses Ding geschlossen. Nun betrachtet er es und ist erstaunt, denn etwas Ähnliches hat er noch nie gesehen. Es sind, gebündelt, etwa 20 sehr feine Drähte, die nicht länger sind als ein kleiner Finger. Hilflos streckt er das Bündel dem Professor hin. Professor Dominicé nickt.
    »Kenn ich«, sagt er trocken. Er zieht einen der feinen Drähte aus dem Bündel, hält ihn hoch und erklärt:
    »Den braucht man, um jene Hohlnadeln zu reinigen, sofern sie nämlich verstopft sind, deren sich Morphinisten bedienen, um sich vermittelst einer sogenannten Pravazschen Spritze das aufgelöste Gift in den Körper einzuverleiben.«
    Der Polizist Malan ist doch nicht ganz dumm. Die geschraubte, sicher verlegene Ausdrucksweise des Professors scheint ihm irgendwie bedenklich. Aber was soll man machen? Man ist schwerfällig. Wie soll man seinen Verdacht äußern, den Verdacht nämlich, daß mit diesem alten Herrn etwas nicht stimmt? Übrigens läßt Dominicé auch keine Frage aufkommen.
    »Das Sanitätsauto«, sagt er, »wird in kürzester Frist den Patienten abholen. Ich bin müde. Sie wissen ja, wo ich zu finden bin. Falls man mich braucht, werde ich immer zu erreichen sein. Gute Nacht.«
    Merkwürdig, wie die Finger des Professors zittern, während er sich aus grobem französischem Tabak eine Zigarette dreht. Er zündet sie an, entfernt sich. Hinter ihm bleibt der Rauch in der stickigen Luft reglos stehen.
    »Und ich habe den Herrn nicht einmal gefragt, ob er den Mann da kennt«, murmelt Malan verdrießlich. »Na, der Alte soll sich selber um die Sache kümmern!« Er sagt nicht Sache, sondern gebraucht ein gröberes Wort. Unter dem »Alten« aber versteht er den Kommissär Pillevuit, einen Mann mit blondem Fahnenbart, der mit dem Polizisten Malan immerhin eine Eigenschaft gemeinsam hat: der Kommissär liebt auch Waadtländer Weine.
    Nun ist Malan wieder allein, denn der Kranke auf der Bank zählt nicht. Der große Platz ist trotz des scharfen Lichtes der Bogenlampe unheimlich. Die leeren Fenster der Geschäftshäuser glotzen bösartig und Malan räuspert sich, um sich dieses furchterregende Gebaren zu verbieten. Aber die Häuser glotzen weiter. Endlich kommt ein Surren näher, ein Auto hält mit einem Ruck. Es ist ein grüner geschlossener Kasten mit spärlichen Milchglasscheiben. Ein Mann steigt aus, der Chauffeur springt von seinem Sitz.
    Eine Bahre gleitet aus dem Kasten, der
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