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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)
Autoren: Kurt Vonnegut
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irgendeiner Arbeit Sie nicht interessiert, sehen Sie sich Struktur und Rhythmus und Wortwahl an. Wenn Sie von Kurt nichts über Lesen und Schreiben lernen können, sollten
Sie vielleicht was anderes machen.
    Seine letzten Worte in der letzten Rede, die er schrieb, sind auf jeden Fall kein schlechter Abschied.
    Und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, und dann bin ich auch schon weg.
    Mark Vonnegut
    1. September 2007

Erster Teil

VON :
AN :
Ogfr. K. Vonnegut jun.    
Kurt Vonnegut
12102964 U. S. Army    
Williams Creek
Indianapolis, Indiana
    Liebe Leute:
    I ch habe gehört, daß Ihr wahrscheinlich nie darüber informiert wurdet, ich wäre irgendwas anderes als
»vermißt«. Es ist gut möglich, daß Ihr auch keinen der Briefe bekommen konntet, die ich aus Deutschland geschrieben habe. Da bleibt mir viel zu
erklären –, in Zusammenfassung:
    Ich war seit dem 19. Dezember 1944 Kriegsgefangener, als unsere Division von Hitlers letztem verzweifelten Vorstoß durch Luxemburg und Belgien zerfetzt wurde. Sieben fanatische
Panzerdivisionen trafen auf uns und schnitten uns von Hodges’ übriger Erster Armee ab. Den anderen amerikanischen Divisionen an unseren Flanken gelang es, sich zurückzuziehen: Wir
waren verpflichtet, zu bleiben und zu kämpfen. Bajonette helfen nicht sehr gegen Panzer: Uns gingen Munition, Verpflegung und Arzneimittel aus, und unsere Verluste überstiegen die Zahl
derer, die noch kämpfen konnten –, also gaben wir auf. Die 106. bekam dafür eine lobende Erwähnung vom Präsidenten und irgendeine britische Auszeichnung von
Montgomery, habe ich gehört, aber ich will verdammt sein, wenn es das wert war. Ich war einer von den wenigen, die nicht verwundet wurden. Dafür immerhin Gottseidank.
    Nun, die Übermenschen marschierten mit uns ohne Verpflegung, Wasser oder Schlaf bis Limberg, etwa sechzig Meilen entfernt, glaube ich, wo wir, sechzig Mann pro kleinen, ungelüfteten,
ungeheizten Güterwagen, verladen und eingesperrt wurden. Es gab keine sanitären Einrichtungen –, die Fußböden waren mit frischem Kuhdung bedeckt. Es war nicht genug
Platz, daß wir uns alle hinlegen konnten. Die eine Hälfte schlief, während die andere Hälfte stand. Wir verbrachten mehrere Tage, einschließlich Weihnachten, auf diesem
Abstellgleis in Limberg. An Heiligabend bombardierte und beschoß die Royal Air Force unseren nicht gekennzeichneten Zug. Sie brachten etwa hundertfünfzig von uns um. Am 1. Weihnachtstag
bekamen wir ein bißchen Wasser und fuhren langsam durch Deutschland zu einem großen Kriegsgefangenenlager in Mühlburg, südlich von Berlin. Am Neujahrstag wurden wir aus den
Güterwagen gelassen. Die Deutschen trieben uns durch siedend heiße Entlausungsduschen. Nach zehn Tagen Hunger, Durst und Unterkühlung starben viele Männer am Schock unter der
Dusche. Ich aber nicht.
    Laut der Genfer Konvention brauchen Offiziere und Unteroffiziere nicht zu arbeiten, wenn sie gefangengenommen werden. Ich bin, wie Ihr wißt, Gefreiter. Am 10. Januar wurden
hundertfünfzig solcher minderen Wesen nach Dresden in ein Arbeitslager geschafft. Aufgrund meiner geringen Deutschkenntnisse war ich ihr Anführer. Es war unser Unglück, sadistische
und fanatische Aufpasser zu haben. Medizinische Versorgung und Kleidung wurden uns verweigert: Wir mußten in langen Schichten extrem hart arbeiten. Unsere Nahrungsration bestand aus
zweihundertfünfzig Gramm Schwarzbrot und einem halben Liter ungewürzter Kartoffelsuppe pro Tag. Nachdem ich zwei Monate lang verzweifelt versucht hatte, unsere Lage zu verbessern, und bei
den Aufpassern nur auf verbindliches Lächeln gestoßen war, sagte ich ihnen, was ich mit ihnen machen würde, wenn die Russen kämen. Sie schlugen mich ein bißchen zusammen.
Ich wurde als Gruppenanführer gefeuert. Schläge waren nichts Besonderes: ein Junge verhungerte, und die SS -Männer erschossen zwei, weil sie Essen gestohlen
hatten.
    Etwa am 14. Februar kamen die Amerikaner herüber, von der R . A . F . gefolgt, und mit vereinten Kräften brachten
sie in vierundzwanzig Stunden 250   000 Menschen um und zerstörten Dresden vollständig –, möglicherweise die schönste Stadt der Welt. Mich aber nicht.
    Danach wurden wir mit der Arbeit betraut, Leichen aus Luftschutzkellern zu tragen; Frauen, Kinder, alte Männer; an Gehirnerschütterung gestorben, verbrannt oder erstickt. Zivilisten
beschimpften uns und bewarfen uns mit Steinen, als wir Leichen zu großen Scheiterhaufen
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