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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)
Autoren: Kurt Vonnegut
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mitten in der Stadt trugen.
    Als General Patton Leipzig einnahm, wurden wir zu Fuß nach Hellexisdorf an der sächsisch-tschechoslowakischen Grenze evakuiert. Dort blieben wir, bis der Krieg endete. Unsere
Aufpasser ließen uns im Stich. An diesem Glückstag waren die Russen fest entschlossen, unseren Abschnitt von isoliertem widerrechtlichem Widerstand zu säubern. Ihre Flugzeuge
(P-39s) beschossen und bombardierten uns, wobei sie vierzehn umbrachten, mich aber nicht.
    Acht von uns stahlen ein Gespann mit Fuhrwerk. Acht Tage lang waren wir auf Reise, plünderten uns durch das Sudetenland und Sachsen und lebten wie die Könige. Die Russen sind
verrückt nach Amerikanern. In Dresden nahmen uns die Russen mit. Von dort sind wir in Ford-Leihlastern bis zu den amerikanischen Linien in Halle gefahren. Danach wurden wir nach Le Havre
geflogen.
    Ich schreibe von einem Rotkreuzklub im Repatriierungslager für Kriegsgefangene in Le Havre. Ich werde wunderbar gut ernährt und unterhalten. Die Schiffe in die USA sind
naturgemäß überfüllt, ich werde also geduldig sein müssen. Ich hoffe, in einem Monat zu Hause zu sein. Wenn ich zu Hause bin, bekomme ich einundzwanzig Tage
Erholungsaufenthalt in Atterbury, etwa $ 600 ausstehenden Sold und – stellt Euch das vor – sechzig (60) Tage Urlaub!
    Ich habe zu verdammt viel zu sagen, der Rest wird warten müssen. Ich kann hier keine Post empfangen, also schreibt mir nicht. 29. Mai 1945
    Liebe,
    Kurt jun.

KURT VONNEGUT IN DER CLOWES HALL, INDIANAPOLIS, AM 27. APRIL 2007
    D anke.
    Ich stehe jetzt als Vorbild vor Ihnen, was mir freundlicherweise vom Herrn Bürgermeister Bart Peterson ermöglicht wurde, und Gott segne ihn für diese Gelegenheit.
    Wenn das nicht nett ist, weiß ich nicht, was nett ist.
    Und denken Sie mal darüber nach: In nur drei Jahren, während des Zweiten Weltkriegs, wurde ich vom Gefreiten zum Korporal befördert, einem Dienstgrad, den einst sowohl Napoleon
als auch Adolf Hitler bekleidet haben. Tatsächlich bin ich Kurt Vonnegut jun., und so nennen mich meine Kinder, inzwischen alle wie ich in mittleren Jahren, immer noch, wenn sie hinter meinem
Rücken über mich reden: »Junior hat dies gesagt, Junior hat jenes gemacht.«
    Aber immer, wenn Sie auf die Ayres-Uhr an der Kreuzung South Meridian Street und Washington Street kucken, denken Sie bitte an meinen Vater, Kurt Vonnegut sen., der sie
entworfen hat. Das geht so weit, daß er und sein Vater, Bernard Vonnegut, das gesamte verflixte Gebäude entworfen haben. Und er war einer der Gründer der Orchard School und des
Museums für Kinder.
    Sein Vater, mein Großvater, der Architekt Bernard Vonnegut, hat, unter anderem, das Athenæum entworfen, welches vor dem Ersten Weltkrieg »Das Deutsche
Haus« genannt wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, warum sie den Namen in »Athenæum« umgewandelt haben, es sei denn, um einer Bande Gräko-Amerikaner in den Arsch zu
kriechen.
    Ich glaube, Sie wissen alle, daß ich die Hersteller von Pall Mall -Zigaretten verklage, weil ihre Erzeugnisse mich nicht umgebracht haben,
und ich bin jetzt vierundachtzig. Hören Sie zu: Ich habe nach dem Zweiten Weltkrieg, dem letzten, den wir je gewonnen haben, an der Universität von Chicago Anthropologie studiert. Und die
physikalischen Anthropologen, die menschliche Schädel studiert haben und dabei um Jahrtausende zurückgegangen sind, sagten, wir dürften nur etwa fünfunddreißig Jahre alt
werden, denn so lange hielten unsere Zähne ohne moderne Zahnmedizin.
    Das war die gute alte Zeit: fünfunddreißig Jahre, und tschüs. So was ist intelligentes Design! Jetzt werden die vielen Babyboomer, die sich teure Zahnärzte
und Gesundheitsvorsorge leisten können, die armen Schweine, hundert Jahre alt!
    Vielleicht sollten Zahnärzte verboten werden. Und vielleicht sollten die Ärzte keine Lungenentzündung mehr heilen, die früher »der Freund der alten
Leute« genannt wurde.
    Aber ich will Sie heute abend nicht deprimieren. Deshalb habe ich mir etwas ausgedacht, was wir alle heute abend tun können und was eindeutig frohgemut sein wird. Ich
glaube, wir können eine Aussage treffen, auf die sich alle Amerikaner, Republikaner oder Demokrat, reich oder arm, stino oder schwul, einigen können, trotz der Kluft, die unser Land so
tragisch und so grimmig teilt.
    Das erste universelle amerikanische Gefühl, das mir eingefallen ist, war: »Zucker ist süß.«
    Und an tragisch und grimmig geteilten Vereinigten Staaten von Amerika
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