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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)
Autoren: Kurt Vonnegut
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Ihnen sagen werden, das Schlimmste an Karl Marx sei das, was er über Religion gesagt hat. Er sagte, sie sei das Opium der
niederen Klassen, als hätte er gemeint, Religion wäre schlecht für Menschen und er wolle sie loswerden.
    Aber als Marx das sagte, damals in den 1840ern, war seine Verwendung des Wortes »Opium« nicht einfach metaphorisch. Damals war das echte Opium das einzige schmerzstillende Mittel,
das zu haben war, bei Zahnschmerzen oder Kehlkopfkrebs oder wobei auch immer. Er hatte es selbst verwendet.
    Als ernsthafter Freund der Geknechteten sagte er, er sei froh, daß sie etwas hätten, was ihren Schmerz zumindest ein kleines bißchen lindern könnte, und das war Religion.
Er mochte Religion, weil sie das konnte, und wollte sie keinesfalls abschaffen. Okay?
    Heute hätte er sagen können, wie ich heute abend sage: »Religion kann Paracetamol für viele leidende Menschen sein, und ich bin ja so froh, daß es
wirkt.«
    Über die chinesischen Kommunisten: Sie sind offensichtlich viel bessere Geschäftsleute als wir und vielleicht auch schlauer, Kommunisten hin, Kommunisten her. Ich
meine, sehen Sie sich doch mal an, wieviel besser sie hier in unseren Schulen sind. Machen wir uns nichts vor! Mein Sohn Mark, ein Kinderarzt, war vor einiger Zeit im Zulassungsausschuß der
Harvard Medical School, und er hat gesagt, wenn es dort mit rechten Dingen zugegangen wäre, hätte das Erstsemester zur Hälfte aus asiatischen Frauen bestanden.
    Aber zurück zu Karl Marx: Wie unterwürfig gegenüber Jesus oder einem humanen Allmächtigen Gott waren denn die Führer dieses Landes damals in den
1840ern, als Marx so etwas angeblich Schlimmes über Religion sagte? Sie hatten es total legal gemacht, menschliche Sklaven zu halten, und ließen Frauen noch weitere achtzig Jahre lang
weder wählen noch, Gott behüte, öffentliche Ämter bekleiden.
    Vor einiger Zeit bekam ich einen Brief von einem Mann, der, seitdem er sechzehn Jahre alt war, als Gefangener im amerikanischen Justizvollzugssystem lebte. Jetzt ist er zweiundvierzig und steht
kurz vor der Entlassung. Er hat mich gefragt, was er machen soll. Ich habe ihm geraten, was Karl Marx ihm geraten hätte: »Schließen Sie sich einer Kirche an.«
    Und jetzt achten Sie bitte darauf, daß ich die rechte Hand gehoben habe. Und das bedeutet, daß ich nicht scherze, daß ich das, was ich gleich sagen werde,
für wahr halte. Also: Das spirituell großartigste amerikanische Phänomen zu meinen Lebzeiten war nicht unser Beitrag zur Niederlage der Nazis, in der ich so eine große Rolle
spielte, und auch nicht Ronald Reagans Sieg über den gottlosen Kommunismus, zumindest in Rußland.
    Das spirituell großartigste amerikanische Phänomen zu meinen Lebzeiten ist, wie afro-amerikanische Bürger ihre Würde und Selbstachtung behalten haben, obwohl sie von
weißen Amerikanern, inner- wie außerhalb der Regierung und nur wegen ihrer Hautfarbe, behandelt wurden, als wären sie verachtenswert und abscheuerregend, sogar von einer Krankheit
befallen.
    Dabei haben ihnen ihre Kirchen bestimmt geholfen. Da kommt also Karl Marx wieder ins Spiel. Da kommt Jesus wieder ins Spiel.
    Und welches Geschenk Amerikas an die übrige Welt wird von der übrigen Welt am meisten geschätzt? Es ist der afro-amerikanische Jazz mitsamt seinen Ablegern. Wie
lautet meine Definition für Jazz? »Safe Sex allerhöchster Ordnung«.
    Die beiden größten Amerikaner zu meinen Lebzeiten waren, soweit ich weiß, Franklin Delano Roosevelt und Martin Luther King jun.
    Ich habe die Vermutung gehört, daß Roosevelt nicht so ein Mitgefühl für die unteren Klassen entwickelt hätte, sondern ein ganz normaler reicher,
eingebildeter, Ivy-League-Pferdearsch der Herrscherkaste gewesen wäre, wenn er nicht von Poliomyelitis, Kinderlähmung, gedemütigt worden wäre. Ganz plötzlich funktionierten
seine Beine nicht mehr.
    Was können wir gegen die Erderwärmung tun? Wir könnten vermutlich das Licht ausmachen, aber lassen Sie das bitte. Mir fällt nichts ein, wie man die
Atmosphäre reparieren kann. Es ist viel zu spät. Aber etwas gibt es, was ich heil machen kann, und ich kann es noch heute abend heil machen und genau hier in Indianapolis in Ordnung
bringen. Es ist der Name einer weiteren guten Universität, die Sie nach meiner Zeit gebaut haben. Aber Sie haben ihr den Namen » I . U . P . U . I .« gegeben. » I . U . P . U . I .«? Sind Sie wahnsinnig geworden?
    »Tag, ich war auf der Harvard-Uni, und
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