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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen
Autoren: Nina Vogt- stli
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laut vor und all so was. Und das will ja keiner. Da denken sich die anderen dann sofort was aus, um dich runterzumachen.
    Außerdem hat es keinen Zweck, den Lehrern diese Befriedigung zu verschaffen. Dass du gute Noten kriegst, meine ich. Sie glauben doch sofort, dass es ihr Verdienst sei. Dabei ist es keine Kunst, einen Einser-Aufsatz zu schreiben. Du musst nur herausfinden, was die Lehrer haben wollen, und dann kritzelst du genau das hin. Versuch bloß nicht, dir selbst was auszudenken. Komm nicht mit Ansichten, die ihnen nicht gefallen.
    Ich habe mal einen Aufsatz über die Polizei geschrieben. Das war, bevor ich herausfand, dass es besser ist, in Deckung zu bleiben. Ich hatte argumentiert, dass man nur Leute mit hohem IQ für diesen Beruf zulassen sollte, weil sich viel zu viele Idioten mit viel zu viel Macht da draußen herumtreiben. Dafür habe ich meine erste Drei kassiert, tja. Inzwischen habe ich den Bogen raus. Ich peile jetzt immer eine Vier an, aber es kommt vor, dass ich es nicht schaffe, mich dumm genug anzustellen.
    Manchmal frage ich mich, wieso ich überhaupt noch zur Schule gehe. Nur um den anderen einen Gefallen zu tun? Damit sie jemanden fertigmachen können und sich selbst nicht so klein vorkommen?
    Es kostet so viel Energie, nicht aufzufallen, nicht zu existieren. Ich habe tausend Dinge, für die ich meine Zeit besser verwenden könnte. Bücher lesen. Am Computer spielen. Filme gucken. Aber wer weiß. Vielleicht sind es genau diese Jahre, die mich das lehren, was im Leben zählt.
    »Du musst einfach durchhalten«, sagt Mum. »Du brauchst einen Abschluss, du musst zur Schule gehen. Hab Geduld. Im Moment ist es schrecklich, aber wenn das vorbei ist, wirst du andere Kreise finden, in denen du dich wohlfühlst.«
    Das ist so naiv. Aber vielleicht hat sie recht, wenn auch auf eine andere Art, als sie glaubt. Sie ist traurig, weil ich keinen Bock habe, was für die Schule zu tun. Bei einer Untersuchung musste ich einen IQ-Test machen, und der Psychologe hüpfte vor Aufregung auf seinem Stuhl, als er uns die Ergebnisse präsentierte. Ich bin hochbegabt. Ich kann mir den Stoff selber beibringen, ich brauche keine Lehrer. Aber die Schule lehrt mich etwas anderes. Die glauben, sie haben mich untergekriegt. Sie rotten sich zusammen und glauben, das macht sie stärker. Aber für mich ist das ein Training. Nichts macht dich stärker, als wenn du dich selber wieder aufbaust, nachdem sie auf dich eingedroschen haben, bis du als zitternder Haufen im Dreck liegst. Den möchte ich sehen, der dasselbe durchmacht wie ich und dann wieder aufsteht. Immer wieder aufs Neue.
    Eines Tages, wenn sie sich nicht mehr zusammenrotten können, stehe ich als Einziger stark da. Eines Tages bin ich am Zug. Eines Tages werden sie sehen, wer ich wirklich bin, was ich wirklich kann. Aber bis es so weit ist, muss ich überleben.
    Es ist spät. Ich will nicht mehr an Andreas und die Schule denken. Der Schreibtischstuhl schmiegt sich weich an meinen Körper und wärmt meinen Rücken. Zu Hause können sie mir nichts anhaben. Ich schalte den PC ein, dann kann mein Unterbewusstsein arbeiten, während ich spiele.
    Fera:
    Hallo!
    Die gibt nicht auf. Das könnte darauf hindeuten, dass es Andreas ist. Dass er zu viel geplant hat, um sich sofort wieder zurückzuziehen. Aber wie gefährlich kann er mir hier schon werden? Ich sitze ja zu Hause in meinem Zimmer.
    Hans Petter:
    Hallo, Fera. Witziger Name.
    Ich glaube kaum, dass man mit so einem Namen durchs Leben gehen kann, ohne dass jemand eine Bemerkung darüber macht. Falls es wirklich ein Mädchen ist, muss sie Ausländerin sein oder ausländische Wurzeln haben. Oder vielleicht ist es irgend so ein neuer Reklame-Gag, eine Art Bot, der mich kontaktiert und so tut, als könnte er reden. Wie diese IKEA-Frau. Pass auf, gleich erwähnt sie einen neuen Energy-Drink namens »Fera«.
    Hans Petter:
    Was gibt’s?
    Fera:
    Ich will nur mit dir reden.
    Hans Petter:
    Weißt du, wer ich bin?
    Fera:
    Du heißt Hans Petter und bist fünfzehn. Viel mehr weiß ich nicht.
    Hans Petter:
    Das ist schon eine ganze Menge. Wie alt bist du?
    Ich wette, es ist ein fetter alter Mann, der so tut, als wäre er ein Mädchen, aber ich frage trotzdem.
    Fera:
    Auch fünfzehn.
    Hans Petter:
    Woher weißt du, wer ich bin?
    Fera:
    Ich bin einfach neugierig.
    Hans Petter:
    Scheint so. Aber woher weißt du, wer ich bin?
    Fera:
    Ich weiß es einfach. Ich habe dich gesehen.
    Hans Petter:
    Wo denn? In der Schule?
    Fera:
    Nein,
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