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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen
Autoren: Nina Vogt- stli
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irgendwo anders.
    Hans Petter:
    Wer hat dir gesagt, wie ich heiße?
    Fera:
    Habe ich vergessen. Ich weiß es eben.
    Sehr einleuchtend …
    Mann, Andreas, hättest du dir nicht was Überzeugenderes ausdenken können?
    Hans Petter:
    Aha. Und warum willst du mit mir reden?
    Fera:
    Weil ich dich kennenlernen möchte.
    Noch etwas ist komisch. Wo sind die Smileys? Kein Mädchen chattet, ohne jede Menge Smileys einzustreuen. Würde Andreas das einkalkulieren?
    Hans Petter:
    Wer bist du? Woher kommst du?
    Fera:
    Wer sind wir überhaupt? Und wo gehören wir hin? Das ist es, was ich herausfinden will. Ich bin ich und du bist du. Was unterscheidet uns?
    Was ist das jetzt? Sofies Welt , oder was? Ist »Fera« ein bärtiger alter Mann, der mich zum Philosophieren verleiten will? Wenn ich einen coolen Freund hätte, einen, mit dem es Spaß macht, sich gegenseitig zu verarschen, dann hätte ich auf ihn getippt. Ich hab dich, du kannst mich nicht täuschen. Aber ich habe nicht mal einen Freund, der uncool ist.
    Hans Petter:
    Wir sind ein Haufen Gene, verschmolzen durch die Sünden der Väter und geformt durch die missverstandene Erziehung der Mütter. Alles Monster in verschiedenen Abstufungen, die herumirren und mehr oder weniger bewusst miteinander kollidieren.
    Ha! Rumschwafeln kann ich auch.
    Fera:
    Interessant. Du behauptest, dass wir alle Monster sind?
    Hans Petter:
    Monster oder Idioten.
    Fera:
    Und du? Bist du Idiot oder Monster?
    Hans Petter:
    Bei mir gibt es kein Entweder-oder. Ich bin beides zusammen. Aber unterschiedlich stark ausgeprägt. Und umgeben bin ich sowohl von Idioten als auch Monstern.
    Fera:
    Muss anstrengend sein.
    Hans Petter:
    Das kannst du laut sagen.
    Fera:
    Ich möchte gern mehr darüber wissen.
    Hans Petter:
    Wohl kaum.
    Fera:
    Doch, ehrlich. Wer sind die Monster?
    Hans Petter:
    Also, ich für meinen Teil habe Reißzähne, gelbe Augen, lila Stacheln und ekligen Ausschlag. Aber nur innen.
    Fera:
    Haha. Du bist lustig.
    Hans Petter:
    Ich geb mir Mühe. Du darfst lachen.
    Fera:
    Ich lache.
    Hans Petter:
    Das höre ich.
    Fera:
    Es ist ein schönes Lachen, oder?
    Hans Petter:
    Entzückend. Wie Kreidequietschen an der Tafel gemischt mit Zähneklappern um Mitternacht.
    Sie vermeidet es, etwas über sich selbst zu sagen. Aber das tue ich auch. Und es gefällt mir. Es macht Spaß, mit ihr zu chatten. Wir unterhalten uns noch eine Weile so weiter. Dann loggt sie sich aus und ist weg. Urplötzlich.
    Hab ich was Falsches gesagt? Oder ist nur ihre Internetverbindung abgebrochen? Vielleicht hat sich ein neugieriger kleiner Bruder rangeschlichen. Ich bin ein bisschen enttäuscht, aber nicht wirklich sauer.
    Ich klicke auf das Profilbild neben ihrem Namen, um es ein bisschen zu vergrößern. Es ist eine Art Passfoto. Sie lächelt nur ganz leicht. Ihre Augen sind schmal, sie sehen intelligent aus. Ihre Haare sind glatt und zu einer merkwürdigen Frisur geschnitten. Wie ein Pony, der an den Seiten länger wird und um den ganzen Kopf läuft. Die Haut ist leicht bronzefarben. Sie sieht komisch aus. Mir gefällt’s. Ein Außenseiter fühlt sich wohl zum anderen hingezogen. Außerdem ist sie so ungewöhnlich, dass unmöglich ein Andreas oder ähnliche Schwachköpfe hinter ihrem Profil stecken können. Die hätten als Foto irgendeine hochgestylte Tittentussi genommen, einen Köder, bei dem sie selbst anbeißen würden. Ganz sicher. Die kennen mich nicht.
    Fera ist auf eine ziemlich interessante Art anders. Anziehend anders.
    Und sie will sich mit mir unterhalten.
    Allein das ist ja schon absonderlich.

Morgens wird es jetzt immer später hell. Herbst ist die schlimmste Jahreszeit. Das Wetter ist selten anders als zum Kotzen und das Schuljahr ist noch so deprimierend lang. Mir frieren die Zehen in meinen dünnen Stoffschuhen.
    Die Schule liegt mitten zwischen Reihenhäusern und kleinen Straßen. Mit einer Mischung aus Grauen und Erwartung schleppe ich mich zur ersten Stunde.
    Der Schulhof ist voller Gruppen von Schülern mit Rucksäcken und Taschen. Sie strömen zusammen, bilden Haufen, schubsen, quatschen, albern herum. Einige sehen mich kommen, sie grinsen, stoßen sich an, zeigen auf mich. Erzählen sich wohl gegenseitig von der Sache mit Andreas in der Schultür. Es ist unglaublich, was man alles mitkriegt, selbst wenn man versucht, möglichst nur auf die Erde zu starren. Ich fühle mich unangenehm sichtbar. Sehne mich danach, ignoriert zu werden.
    Gleich klingelt es zur ersten Stunde. Ich will dem Gedränge ausweichen
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