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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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Tor verschanzt. Es sind ihrer fünfzehn, allesamt gut bewaffnet, und sie wollen mir meine Möbel entführen.«
    »Marquis«, sagte Monsieur de Vic lautstark und soldatisch, »der Fall ist klar wie Quellwasser: Ich schieb ihnen einen Sprengsatz unters Tor, und wenn das Tor in Stücke fliegt, beim Donner, wird alles niedergehauen und gehängt.«
    »Hoho, Herr Abt von Bec!« sagte ich lächelnd, »das wäre nicht sehr christlich, abgesehen davon, daß der König bestimmt kein Massaker so nahe beim Louvre will, wo er doch ganz auf Milde setzt. Außerdem würde Euer Sprengsatz mein schönes Tor zerstören und meine Möbel beschädigen, die ich ja gerade retten will. Ich glaube, Seine Majestät wüßte mir Dank für den Gebrauch sanfterer Mittel.«
    »Und welche, Sakrament? Welche?« rief mit seiner Stentorstimme Monsieur de Vic, der ebenso prahlmäulig war wie Tronson, doch, anders als der Schreiner, im Kampf die Tapferkeit selbst.
    »Monsieur de Vic, ich habe eine Idee, wie es sanfter gehen könnte«, sagte ich, »beliebt nur, mir die Leine ein wenig locker zu lassen.«
    »Wie Ihr wollt«, sagte Monsieur de Vic mürrisch. »Nur vergeßt nicht, Siorac, wenn es schiefgeht – ich bringe Euch die Bande im Handumdrehen an den Galgen.«
    Ich trug also Pissebœuf auf, in die Rue du Chantre zu laufen, an welche ein Stück meiner Hofmauer grenzt, unter besagter Mauer zu wachen und mir durch einen Laufjungen zu vermelden, wie viele der Taugenichtse sich darüber flüchteten, sobald ich einen Aufruf an sie gerichtet hätte. Und als Pissebœuf davonschoß wie ein Pfeil, trat ich vor mein Hoftor.
    »Bahuet!« rief ich mit starker Stimme. »Der Mann, dem du das Wams zerschlitzt hast, das bin ich selbst, der Marquis de Siorac, dessen Haus du unrechtmäßig besetzt hast und dem du jetzt die Möbel rauben willst. Bahuet, ich habe Monsieur de Vic bei mir, den Gouverneur von Saint-Denis, der aller Welt bekannt ist für seine Tapferkeit, und dazu gut zwanzig Arkebusiere. Monsieur de Vic will einen Sprengsatz ans Tor legen und euch wegen Rebellion alle ausräuchern. Bist du jedoch reuig und räumst meine Möbel wieder ein und öffnest uns, wird dir freier Abzug gewährt, ebenso deinen Leuten, soweit sie nichtmit dem Polizeileutnant angebandelt haben. Das schwöre ich bei meinem Edelmannswort!«
    Kaum hatte ich dies gesagt oder vielmehr aus voller Kehle geschrien, gebot ich mit beiden Händen Stille, ganz unnütz allerdings, denn nicht allein unsere Männer, die Arkebusiere, Tronson, Miroul und Vic hielten den Atem an, auch die ganze Gasse – die Gevatterinnen und Gevatter an den Fenstern, meine ich, wagte sich doch niemand aufs Pflaster hinunter aus Furcht, in das Scharmützel verwickelt zu werden –, alles verharrte stumm und spannte das Ohr, um Bahuets Antwort zu hören – doch vergebens, denn lange Minuten verstrichen, und der Kerl gab keinen Laut.
    »Schockschwerenot! Der Schuft will uns leimen!« sagte schließlich Monsieur de Vic und steilte seine Schnurrbartspitzen. »Arkebusier, eine Rakete! Dahin! Unters Tor! Und Beeilung!«
    »Ach, meine Herren, meine Herren!« Tronson schob plötzlich seinen Schmerbauch zwischen Vic und mich, »ein so schönes Tor zu sprengen ist ein wahres Verbrechen! Ich, der Schreinermeister Tronson von der Rue Saint-Denis, sage Euch das! So gute Arbeit, beste Eiche, ohne Astlöcher, dicht gekörnt und massiv, mit schönem Gesims, nicht aufgebracht, sondern aus dem Holz herausgearbeitet! Ungeachtet, daß die Explosion auch die Eisenbeschläge verbiegen wird, die beste Schmiedearbeit sind, und Eure Mauer erschüttern wird, womöglich stürzt sogar das Gewölbe ein, wenn der Schlußstein verletzt wird! Meine Herren, hundert Jahre braucht es, bis ein Tor so wetterfest und beständig wird wie dieses, da bekämt Ihr nicht einmal einen Nagel hinein! Und ein solches Werk so langer Zeit in einer Sekunde zu vernichten, wahr und wahrhaftig, es wäre ein Jammer und eine höchst unheilige Zerstörung!«
    »Die Pest über den Schwätzer!« sagte Monsieur de Vic. »Sollen wir ewig vor einem Tor Maulaffen feilhalten, nur weil ein Halunke es von innen versperrt?«
    »Monsieur de Vic«, rief nun aus einem Fenster ein Gevatter, der einen ebenso stattlichen Schnurrbart hatte wie der Gouverneur von Saint-Denis, »hört auf den Schreinermeister, es ist reine Vernunft! Und das sage ich Euch, Tischlermeister Gaillardet! Ein so schönes Tor wie das da gibt’s auf der ganzen Rue du Champ Fleuri nicht mehr.«
    »Monsieur de Vic!«
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