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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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ändere! Betet, wozu sonst seid Ihr Abt von Bec!«
    »Aber ich bin gar nicht Abt von Bec!« versetzte Vic wie entrüstet. »Auf meine Bitte hat der König meinem Sohn die Abtei gegeben. Und meine Mutter war auch nicht Comtesse de Sarret! Comtesse war nur ihr Vorname. Und ich bin auch nicht Admiral von Frankreich, sondern Vize-Admiral.«
    »Was ist der Unterschied?«
    »Der, daß ich nie und nimmer den Fuß auf ein Schiff setzen werde, ich vertrage das Meer nicht.«
    »Herr Marquis«, sagte Miroul, »da kommt Gaillardet.«
    Und wirklich, majestätisch, eine große Axt in der Hand, kam der Tischlermeister aus seinem Haus über die Gasse gehumpelt, entbot Vic und mir ein kleines Kopfnicken (eine Verbeugung, nehme ich an, hätte sein Holzbein nicht mitgemacht), trat auf mein Tor zu und strich mit seinen Fingern langsam darüber, kräftigen, breiten Fingern und doch wundersam zart bei dieser Liebkosung, die sie dem Holz angedeihen ließen.
    »Diese Eiche«, sagte er endlich nicht ohne Feierlichkeit und mit einem Ernst, wie wenn ein ehrwürdiger Doktor der Medizin seine Diagnose verkündet, »diese Eiche ist mindestens hundert Jahre alt und hart wie Eisen.«
    »Hab ich’s nicht gesagt?« Tronson blickte befriedigt in die Runde.
    »Jetzt spreche ich, Gaillardet«, bemerkte dieser kühl. »Und außer daß sie sehr hart ist, ist sie sehr dick. Ich laufe große Gefahr, wenn ich da mit der Axt hineinschlage, daß ich mir meine Schneide verderbe.«
    »Die Schneide läßt sich wieder schärfen, Gevatter«, sagte Tronson.
    »Aber nicht, wenn sie mir splittert.«
    »Dann muß sie neu geschliffen werden«, sagte Tronson, »in dem man tiefer ins Metall greift.«
    »Wenn es wenig ist, ja! Aber wenn viel splittert, nicht! Dann kann ich den Keil wegwerfen. Und wo kriege ich in den heutigen Zeiten einen neuen her? Und zu welchem Preis, jetzt, wo alles so teuer ist?«
    »Hab ich es doch geahnt!« rief Monsieur de Vic außer sich. »Beim Donner, Arkebusier, spreng mir sofort dieses Tor!«
    Doch erhob sich hierauf ein so zorniges Schimpfen und Murren und schwoll von Fenster zu Fenster derart, daß der Arkebusier zauderte. Wahrscheinlich entsann er sich auch, wie die Pariser am Tag der Barrikaden, die Heinrich III. verjagten, wer weiß wie viele arme Schweizer erschlagen hatten, nur weil sie mit gezündeter Lunte auf ihren Arkebusen durch die Gassen gezogen waren. Und weil ich nicht wollte, daß meine Heimkehr in einen Aufstand ausarte, bei welchem meine Nachbarn blutige Nasen und zersplitterte Fensterscheiben ernten würden, legte ich meine Hand rasch auf Vics Arm.
    »Erlaubt, Herr Vize-Admiral, daß ich Eurem Befehl widerspreche. Es hat keine Not. Solange das Tor geschlossen ist, kann Bahuet meine Möbel nicht entführen. Und vielleicht willigt Meister Gaillardet ein, seinen Axtkeil für einen Ecu aufs Spiel zu setzen.«
    Diese wahrhaft unerhörte Freigebigkeit machte großen Eindruck auf sämtliche Bewohner der Gasse und namentlich auf den Tischlermeister.
    »Was?« sagte er, und ihm zitterte der Schnurrbart, »einen Ecu, Herr Marquis? Was nennt Ihr einen Ecu? Einen Carolus?«
    »Einen Carolus, bewahre! Einen Henricus! Auf die Hand und unbekaut! Hier ist er!« sagte ich, indem ich die Münze aus meinem Beutel zog. »Was meinst du? Gefällt er dir?«
    »Darf ich ihn anfühlen?« fragte Gaillardet.
    »Fang auf!« sagte ich und warf Gaillardet das Geldstück zu, der es in seinen großen Händen fing, die gegerbt waren wie Leder und die Münze doch mit großer Behutsamkeit, ja Zärtlichkeit streichelten.
    »Wahr und wahrhaftig!« sagte er schließlich, indem er mit schmerzlicher Miene den Kopf seitlich neigte, »allerbesten Dank, Herr Marquis. Aber da lacht mir einmal ein Lohn wie nie, und ich muß vor dem schönen Ecu demütig die Augen niederschlagen. Denn, ehrlich gestanden, so gut meine Axt auch sei, die ich von meinem seligen Vater geerbt habe, zweifle ich doch sehr, daß sie ankommt gegen dieses Tor, oder es wäre ein Wunder!«
    Kaum hatte er ausgesprochen und besagtes Wunder beschworen, da öffnete sich das Tor ganz von selbst, es taten sich beide Flügel auf, ohne daß man irgend sah, wer sie bewegte, denn bis auf die beiden Karren mit ihren Pferdegespannen stand der Hof leer.
    »Warte«, sagte Miroul auf okzitanisch, »das kann eine Falle sein.«
    Doch im selben Moment erscholl hinter einem der Flügel eine wohlbekannte Stimme.
    »Monsieur de Vic, ich bin es, Pissebœuf, Arkebusier von Monsieur de Siorac. Beliebt Euren Männern zu
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