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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
Autoren: Ursula Steen
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Zärtlichkeit an sich, wiegte sie hin und her und bedeckte ihr Gesicht mit einer Reihe von Küssen. Sie ging ihm so unter die Haut. Das, was sie ihm geschenkt hatte, ging ihm unter die Haut: einen zweiten Geburtstag, eine zweite Chance, ein zweites Leben ... Sie hatte ihn auf einem langen Weg begleitet und immer an ihn geglaubt, auch wenn er es ihr nicht leicht gemacht hatte. Sie war bereit gewesen, alles für ihre gemeinsame Zukunft zu wagen, und wenn es sie das Leben kostete. Mit dieser Liebesgabe hatte sie alles übertroffen, was ein Mensch dem anderen schenken konnte.
    Sie machte ihn so reich, reicher als reich.
    Eine Zeit lang lagen sie einfach nur da, hielten sich in den Armen und genossen die bodenlose Seligkeit, die von ihnen Besitz ergriffen hatte. Es kam ihnen vor, als würden sie schön mollig und geborgen im Inneren einer rosigen Muschel ruhen. Endlich hatten sie sich wieder, und das Leben pulsierte durch sie hindurch.
    Leider wurde ihr postkoitales Hoch viel zu schnell von der praktischen Frage abgelöst, wie sie nun nach Hause kommen sollten.
    „Kannst du noch fahren?“, fragte René, nachdem sie ihre Kleidung wieder in Ordnung gebracht hatten.
    „Auf gar keinen Fall“, sagte sie.
    „Ich auch nicht mehr. Dann sind wir jetzt in der Provinz gestrandet. Vielleicht sollten wir den Bus nehmen.“
    „Gute Idee. Nur sag mal, René, wenn wir eh nicht mehr fahren, könnten wir doch eigentlich … Ich meine, wir haben noch die zweite Tüte im Rucksack liegen, und bevor wir damit erwischt werden …“
    „Du wirst ja unersättlich, Weibal.“
    „Da hast du leider recht.“
    Als sie es sich gerade unter einer Decke gemütlich gemacht hatten und den Joint anzünden wollten, klingelte Renés Telefon. Er wollte erst gar nicht rangehen. Aber dann fiel ihm ein, dass etwas mit Mia sein könnte. Also kramte er es heraus, sah auf das Display und spürte, wie eine kalte Hand nach seinem Herzen griff.
    Es war Franzl. Wenn sein Neffe ihn freiwillig und noch dazu am Samstagnachmittag anrief, war das ein alarmierendes Zeichen.
    Er atmete tief durch, stellte die Verbindung her und fragte: „Was ist los?“
    „René!“, rief Franzl mit völlig aufgelöster Stimme. „Bei uns ist was Schreckliches passiert. Die Mama liegt im Krankenhaus. Du musst sofort kommen!“

Kapitel 21: Heute
     
    Als Claudia, René und Mia vor Tanjas Haus aus dem Auto stiegen, stand Franzl schon bereit, um sie in Empfang zu nehmen. Da sie einen Mordshunger hatten und Tanja erst am frühen Nachmittag im Krankenhaus besuchen konnten, setzen sie sich in einen nahen Burgerladen.
    Während sie aßen, erzählte Franzl ihnen noch mal brühwarm, was passiert war: „Als Mama durch den Stadtpark gejoggt ist, sind die Krähen einfach über sie hergefallen, aus dem Nichts heraus, wie bei Hitchcock, wo sich die Vögel zum Töten verabredet hatten. Ihr Kopf ist eine einzige blutige Masse. Gott sei Dank wurden ihr nicht die Augen ausgehackt. Hat aber nicht viel gefehlt. An der einen Braue musste sie sogar genäht werden. Jetzt hat sie ein Matschauge und flucht wie ein Droschkenkutscher vor sich hin. Ihr kennt sie ja.“
    „Arme Tanja“, sagte Claudia.
    „Mal was anderes, René“, sagte Franzl übergangslos. „Es bleibt also dabei? Wir ziehen das Ding nachher durch?“
    „Gern, wenn es Moritz und dir nichts ausmacht. Die Gelegenheit wäre günstig. Morgen sind wir mit Mia bei Oma und Opa im Heim, und übermorgen fahren wir schon wieder nach Hause. Ich möchte nicht herzlos erscheinen, aber es wäre mir schon wichtig.“
    „Keine Sorge, das ist in Ordnung.“
    Während die beiden weiterredeten, sah Claudia sie erstaunt an. Dass ihre Mutter beziehungsweise Schwester gerade einer Krähenattacke zum Opfer gefallen war, schienen sie von einem Moment auf den anderen vergessen zu haben. Stattdessen kamen sie überein, sich am späten Nachmittag noch mit Moritz und einem Freund zu einer Partie Fußball im Stadtpark zu treffen.
    Fußball. Im Stadtpark. Ausgerechnet.
    Als sie später Tanjas Krankenzimmer betraten, traute Claudia sich zunächst kaum, die Schwägerin anzublicken. Aber dann tat sie es doch und stellte fest, dass sie in der Tat schlimm aussah. Ihr Kopf war über und über bandagiert, wobei hier und da etwas Blut durch die Verbände suppte. Auch ihre Hände waren bis über die Handgelenke hinaus verbunden. Nur ihre Augen und ihr Mund lagen frei, und das war gut so, denn kaum hatte sie ihre Besucher zu Gesicht bekommen, ließ sie auch schon eine
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