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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb
Autoren: Jack Higgins
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zusammengefaltetes Schriftstück aus der Tasche seines Hemdes und hielt es dem alten Mann hin, der widerstrebend danach griff. »Tut mir leid, Doc«, sagte er dabei.
     Doc zuckte mit den Schultern. »Nicht Ihre Schuld, Larry, schließlich müssen wir alle essen.«
     Harvey setzte sich ans Steuer seiner Limousine und ließ den Motor an. »Okay, Larry, wir müssen weiter. Ich hab viel zu tun.«
     Schultz ging um den De Soto herum und nahm auf dem Bei­ fahrersitz Platz. Doc fuhr mit dem Zeigefinger über die lack­ glänzende Karosserie. »Ein prächtiger Wagen, Mr. Harvey. Ein Wagen wie der kostet wohl ‘nen Haufen Geld?«
     »Sieben Tage – und keinen Tag länger«, sagte Harvey noch. »Dann übernimmt die Bank die Farm mit sämtlichem Inventar. Lassen Sie sich’s ja nicht einfallen, irgendwas beiseite zu schaffen, Doc!«
     Er fuhr mit durchdrehenden Rädern an, daß der Dreck spritz­ te, und verschwand in Richtung Hauptstraße zwischen den Bäumen. Doc Floyd starrte ihm lange nach; dann wandte er sich ab, stieg die ausgetretenen Stufen zur Veranda hinauf und ging ins Haus. Sein Hund folgte ihm.
     Doc fand eine halbvolle Whiskyflasche und ein Glas, setzte sich damit in dem unaufgeräumten, heruntergekommenen Wohnzimmer an den Tisch, trank langsam und genoß den Drink, als sei er voraussichtlich sein letzter.
     Sein Blick wanderte durch den Raum, streifte das schäbige Mobiliar, nahm den abgetretenen Teppich wahr und ruhte schließlich auf dem silbergerahmten Foto seiner Frau.
     »Nicht viel übrig von vierzig Jahren in diesem Haus, altes Mädchen«, sagte er leise.
     Er trank ihr zu, leerte das Glas mit einem Zug und schenkte sich nach.

    Etwa eine Stunde später wurde Doc darauf aufmerksam, daß
    von der Hauptstraße her ein Auto herankam. Er war unterdes­ sen angetrunken genug, um wütend zu sein.
     »Dieser Hundesohn, Sam«, erklärte er seinem Hund halblaut. »Kommt schon wieder zurück.«
     Er stand auf, nahm seine alte doppelläufige Schrotflinte vom Wandhaken, kramte Patronen aus einer Schublade und lud die Flinte, während er zur Tür ging. Der Jagdhund winselte aufge­ regt und blieb ihm dicht auf den Fersen.
     Doc baute sich mit der Schrotflinte in der Hand auf der Ve­ randa auf, aber der Wagen, der jetzt mitten im Hof hielt, war kein De Soto. Statt einer Limousine stand dort ein Ford-Coupe, und der Mann mit dem schwarzen Filzhut und dem eleganten dunklen Anzug, der eben ausstieg, war ganz entschieden nicht George Harvey.
     »Hallo, Doc!« rief er dem Alten zu. »Das ist aber ‘ne ver­ dammt eigenartige Begrüßung!«
     Doc ließ überrascht die Schrotflinte sinken. »Mein Gott – Johnny Dillinger! Weißt du nicht, wie heiß der Boden hier für dich ist? Erst vorgestern haben sie hier nach dir gesucht.«
     »Wer sind ›sie‹?«
     »Ein Haufen Polizisten. Sie sind mit zwei Autos vorgefahren. Der Mann, der nach dir gefragt hat, stotterte. Ein kräftiger, großer, drahtiger Kerl.«
     Dillinger lachte. »Das muß Matt Leach gewesen sein. Er ist der Chef der Indiana State Police.«
     »An deiner Stelle würd ich nicht lachen, Johnny. Er hat mir damit gedroht, mir sämtliche Knochen im Leib zu brechen, falls du trotz meiner Beteuerungen doch bei mir gefunden würdest. Und er hat gesagt, er wollte dir sämtliche Knochen im Leib brechen, sobald er dich geschnappt hat.«
     »Irgend jemand hat ihm eine billige Broschüre mit dem Titel Wie werde ich Detektiv geschickt«, erklärte Dillinger dem Alten. »Er hat mich als Absender in Verdacht.«
     »Bist du’s gewesen, Johnny?«
    Dillinger rollte die Augen wie Al Jolson. Ein Bild vollkom­
    mener Unschuld.
     »Oh, du bist ein schrecklicher Mann, Johnny.«
     Im Süden grollte Donner; dann folgte die bedrückende Stille vor dem Sturm, in der die gesamte Natur sich auf eine Sintflut gefaßt zu machen scheint.
     »Darf ich reinkommen?« fragte Dillinger. »Es wird gleich zu regnen anfangen, glaub ich.«
     »Klar, klar, Johnny, aber was ist, wenn Leach zurück­ kommt?«
     »Wenn’s recht ist, bring ich meine Versicherungspolice mit ins Haus.« Dillinger trat wieder an den Ford. Doc beobachtete, wie er die Maschinenpistolen hereinbrachte, als werde unter Johnnys Armen der Tod ins Haus getragen.
     Und dann brach das Unwetter los. Prasselnder Regen ver­ wandelte den Hof in einen Schlammsee, während Dillinger auf der Veranda saß, Docs Kaffee trank und seine Maschinenpisto­ len sorgfältig reinigte. Das Gejammer des Alten ging ihm
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