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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb
Autoren: Jack Higgins
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ein kalter Schauer über den Rücken lief, unbeweglich sitzen blieb und das Stimmengewirr nur undeutlich wahrnahm.
     Jarvis kam eine Minute später zurück und nahm wieder
     Platz. »Mein Gott, das ist unglaublich! Dabei war das Ge­
    fängnis angeblich ausbruchsicher! Er ist nicht nur einfach rausspaziert, sondern hat auch noch den Sheriff-Dienstwagen als Fluchtfahrzeug benützt.« Er warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. »Herrje, da wird Lillian schäumen!«
     Aber Martha Ryan saß nur da, spürte, wie die Kälte sich in ihrem Inneren ausbreitete, und dachte an Dillingers letzte Worte ihr gegenüber. Daß er wisse, welchen Weg er gehe. Und daß er wisse, wie dieser Weg enden werde.

    Es regnete noch immer, und die Staatsgrenze nach Illinois lag bereits hinter ihnen, als Blunk auf Dillingers Anweisung am Rand der unbefestigten Landstraße hielt.
     »Okay«, sagte Dillinger. »Ihr zwei steigt hier aus.« Die bei­ den stiegen nur widerstrebend aus, weil sie nicht wußten, was er vorhatte, aber Dillinger fuhr einfach nur davon. Die Hinter­ räder des großen Fords ließen Schlamm aufspritzen, und Dillinger hoffte, daß ein Teil davon auf Blunks Anzug landen würde.
     Youngblood, der immer noch auf dem Rücksitz saß, begann laut zu singen. Nach einigen Meilen hielt Dillinger, um sich eine Zigarette anzuzünden; danach holte er einige zusammen­ geknüllte Geldscheine aus der Hosentasche und zählte sie.
     »Mit vierzehn Dollar kommen wir nicht sehr weit.« »Aller­
    dings nicht!« bestätigte Youngblood. »Da gibt’s nur eine Möglichkeit: Sie werden ‘ne Bank ausrauben müssen, Mr. Dillinger.«
     Er begann zu lachen, und Dillinger, der das Gefühl genoß, am Steuer eines schnellen Wagens zu sitzen, und in jungenhafter Hochstimmung war, warf ihm die Zigarettenpackung zu, fuhr durch den Regen davon und fragte sich, was am nächsten Morgen in den Schlagzeilen stehen würde.

    2

    Doc Floyd kam aus der Senke herauf, folgte dem fast völlig überwucherten Weg unter den Bäumen und blieb am Rande des Sumpfes stehen, um sich seine Pfeife anzuzünden. Er war siebzig Jahre alt und hatte ein verbrauchtes, runzliges Gesicht mit einem buschigen Schnauzbart, der an den Rändern Nikotin­ flecken aufwies. Sein Strohhut hatte eine ausgefranste Krempe, und die alte Wolljacke hing über knochigen Schultern.
    Der Garten jenseits der unbefestigten Straße war längst ver­
    wildert, der Zaun hatte große Lücken, und im Dach des mit Brettern verkleideten alten Farmhauses fehlten einzelne Schin­ deln. Soweit das Auge reichte, wirkte alles verfallen und verwahrlost.
    Ein alter Jagdhund kam aus dem Unterholz und hinkte auf
    Doc Floyd zu, der sich bückte und ihm die Ohren kraulte.
    »Alles verbraucht, Sam, genau wie du.«
     Er richtete sich auf, als er ein Auto herankommen hörte, und sagte halblaut: »Das sind sie anscheinend schon. Komm, wir sehen mal nach, Sam.« Er ging durch eine Zaunlücke aufs Haus zu, und der Hund trottete hinter ihm her.
     Als Doc Floyd die Vorderseite des Farmhauses erreichte, sah er dort eine De-Soto-Limousine stehen. Der Mann in dem dunklen Anzug, der an der Fahrertür lehnte, sich mit seinem Taschentuch den Schweiß vom Gesicht wischte und sich zugleich mit seinem Hut Kühlung zufächelte, war Mitte Vier­ zig und hatte Übergewicht. Er hieß George Harvey und war der Direktor der Huntsville National Bank. Der Mann neben ihm hätte seiner Kleidung nach – ausgeblichene Jeans, kariertes Hemd und breitkrempiger Filzhut mit Schweißflecken – irgendeiner von hundert einheimischen Farmern sein können. Er unterschied sich von ihnen lediglich durch den Stern eines Deputy Sheriffs an seiner Brust und den Revolver, den er an der linken Hüfte trug.
     »Ah, da sind Sie endlich, Doc!« sagte Harvey. »Sie kennen Larry Schultz?«
     »Natürlich«, antwortete Doc. »Ist Mary wieder auf dem Damm, Larry? Soviel ich gehört hab, muß sie ganz schön einen sitzen gehabt haben.«
     »Ach, das war nicht der Rede wert. Ihr geht’s wieder prima.« Schultz war sichtlich verlegen.
     »Okay, kommen wir also zur Sache«, drängte Harvey. »Die Bank hat sehr viel Geduld mit Ihnen gehabt, Doc, aber damit ist jetzt Schluß. Ich bin hier, um Sie offiziell zu fragen: Sind Sie in der Lage, Ihre Schulden zu zahlen?«
     »Sie wissen verdammt genau, daß ich das nicht kann«, erwi­ derte Doc ausdruckslos.
     Harvey wandte sich an Schultz. »Geben Sie ihm den Voll­ streckungsbefehl.«
     Schultz zog ein
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