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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb
Autoren: Jack Higgins
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ihn und seine Politik des Nationalen Aufschwungs vorbehaltlos unterstütze – vor allem auf dem Bankensektor, auf dem er sich allerdings beeilen muß.«
     Sie starrte ihn ehrlich verwirrt an. »Das verstehe ich nicht ganz. Sie sind ein …« Sie zögerte.
     »Ein Bankräuber?« warf Dillinger hilfsbereit ein. »Richtig. Ich beraube Banken, falls Sie das meinen, aber wen berauben die Banken ihrerseits, Miss Ryan? Indiana, Kansas, Iowa, Texas – überall das gleiche Lied! Die Farmer werden in Massen von ihrem Land vertrieben, weil die Banken ihre Hypotheken für verfallen erklären, um die Farmen mit riesigem Gewinn an die großen landwirtschaftlichen Produktionsbetrie­ be verkaufen zu können.«
    »Geschäft, Johnny«, warf Lillian Holley trocken ein. »Ein­
    fach Geschäft.«
     »Ja, natürlich, aber bei Geschäften dieser Art komme ich mir unschuldig vor«, antwortete Dillinger. »Dort draußen gibt’s sechs Millionen Arbeitslose, Miss Ryan. Die können Sie fragen, was für ein Dieb John Dillinger ist.«
     Sie saß vor ihm und starrte zu ihm auf. Er sprach eigentlich nicht viel anders als manche Leitartikler, die sie kannte. »Okay, Schätzchen, das war’s«, sagte Lillian Holley in diesem Augen­ blick, legte ihr eine Hand unter den Ellbogen und zog sie hoch.
     Martha Ryan streckte ihm die Hand entgegen. »Vielen Dank, Mr. Dillinger, und alles –« Sie wurde rot und brachte den Satz nicht zu Ende.
     Dillinger lachte. »Das würd ich an Ihrer Stelle nicht in Ihren Artikel aufnehmen. Dafür hätten Ihre Leser wahrscheinlich kein Verständnis.« Dann lächelte er freundlich. »Machen Sie sich meinetwegen keine Sorgen, Miss Ryan. Ich weiß, welchen Weg ich gehe; ich weiß, wie er enden wird. Das ist meine freie Entscheidung! Ausschließlich meine.«
     Martha wich instinktiv vor ihm zurück. Dillingers höfliches Lächeln hatte sich in eine Steinmaske verwandelt. Sie verließ die Zelle und kämpfte gegen ihren Drang an, sich nach Dillin­ ger umzudrehen. Lillian Holley und der Aufseher folgten ihr. Die Gittertür wurde zugeknallt. Dillinger blieb sekundenlang stehen; dann tastete er die Unterseite seiner Matratze ab und brachte die Pistole zum Vorschein.
     »Kommst du mit?« fragte er Youngblood.
     »Sie brechen aus, Mr. Dillinger?«
     »Richtig.«
     »Ich mache mit. Ich hab als Schwarzer, der einen Weißen umgebracht hat, sowieso keine Chance, dem elektrischen Stuhl zu entgehen, auch wenn es Notwehr war.«
     »Gut, wenn’s soweit ist, tust du genau, was ich sage, und ich sorge dafür, daß du hier rauskommst«, erklärte Dillinger ihm.
     Er nahm seine Jacke aus dem Spind, zog sie an, steckte die Pistole in die rechte Jackentasche, streckte sich auf dem Bett aus, schloß die Augen und dachte an seinen Vater. Mann, würde der alte Gauner sich wundern, wenn sein ungeratener Sohn plötzlich hereinspaziert kam!

    »Na, was halten Sie von ihm?« fragte Lillian Holley, als einer der Hilfssheriffs ihnen den Hinterausgang des Gefängnisses aufsperrte.
     Martha Ryan machte aus ihrer Verwirrung keinen Hehl. »Ich hatte ein Ungeheuer erwartet, keinen … keinen Frauenhelden.«
     »Ja, ich weiß. Das ist ziemlich verwirrend. Wissen Sie, daß es Leute gibt, die steif und fest behaupten, er habe keinen einzi­ gen Mord auf dem Gewissen?«
     »Das kann ich nicht glauben!«
     »Hören Sie, ich will Ihnen was erzählen. Er ist hier in Indiana auf einer Farm aufgewachsen, und wenn er auf dem Land unterwegs ist, wissen die Leute genau Bescheid, aber sie würden ihn niemals anzeigen – und wäre die Belohnung noch so hoch. Können Sie mir das erklären?«
     »Nein, Mrs. Holley.«
     »Nun, wenn Sie das können, haben Sie Ihre Story wirklich.«
     Sie schüttelten sich die Hand. Martha Ryan trat ins Freie, und die schwere Tür polterte hinter ihr ins Schloß.

    Als Cahoon Dillingers Zelle aufschloß, trug er in der linken Hand einen Eimer Seifenwasser, den er an der Wand abstellte.
     »Okay, Herbert«, sagte er zu Youngblood. »Zellenreinigung.« Er richtete sich auf und starrte verblüfft in die Mündung eines Colts, der unbeweglich in Dillingers Hand lag. »Großer Gott«, flüsterte er.
     Dillinger stand von seinem Klappbett auf. »Sie brauchen nur zu tun, was ich sage, Sam, dann kommen wir prima miteinan­ der aus. Kapiert?«
    »Ganz wie Sie wollen, Mr. Dillinger«, bestätigte Cahoon.
    »Wer ist dort draußen?«
     »Die Putzkolonne – lauter Kalfaktoren. Die machen Ihnen keine Schwierigkeiten.«
     »Sind
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