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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb
Autoren: Jack Higgins
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sorgenvoll, als fürchte er, möglicherweise zu weit gegangen zu sein. Dillinger schlürfte nachdenklich seinen Kaffee, und Youngblood übernahm es, den Vorschlag des Alten zu beantworten.
     »Prima Idee, Pops. Wenn Sie nächstesmal rüberkommen, bestellen Sie dem Kerl, dem die Bude gehört, daß Mr. Dillinger nach seinem Anteil gefragt hat.«
     »Klar, wird gemacht«, stimmte Cahoon eifrig zu. »Noch etwas Kaffee, Mr. Dillinger?«
     »Danke, Sam, ich hab genug«, wehrte Dillinger ab.
     Der Alte nahm das Tablett vom Tisch. Draußen vor der Git­
    tertür stand einer der Kalfaktoren mit einem Eimer, in dem ein Mop steckte.
     »Das soll ich herbringen«, sagte der Kalfaktor.
     Cahoon öffnete die Schiebetür gerade so weit, daß der Mann sich hindurchzwängen und den Eimer mit dem Mop neben Dillinger abstellen konnte. »Nein, das mach ich schon«, warf Youngblood rasch ein.
     »Das soll ich Mr. Dillinger bringen«, betonte der Kalfaktor auffällig nervös. Er hastete wieder hinaus. Sam Cahoon folgte ihm und sperrte von draußen ab.
     »Idioten!« knurrte Youngblood. »Was taugen Mop und Eimer ohne Wasser?«
     Dillinger legte den Zeigefinger an die Lippen. Er trat an die Gittertür, sah nach beiden Seiten, stellte sich dann mit dem Rücken zum Gitter hin, um vor Überraschungen sicher zu sein, beugte sich über den Eimer, zog den Mop heraus und holte darunter einen in Flanell gewickelten Gegenstand hervor.
     »Stell dich neben mich«, flüsterte er Youngblood zu.
     Als ihre Rücken einen Sichtschutz für den Fall bildeten, daß unerwartet jemand aufkreuzte, schlug Dillinger das Stück Flanell auseinander. Es enthielt einen bläulichschwarzen Colt, Kaliber 32. Dillinger überprüfte rasch das Magazin, stellte fest, daß es die acht Schuß enthielt, und schob es in den Griff zurück.
     »Gib mir dein Messer«, forderte er seinen Zellengenossen auf.
     Youngblood brachte aus dem rechten Stiefelschaft ein Ta­ schenmesser mit Griffschalen aus Fischbein zum Vorschein und gab es wortlos her. Dillinger klappte die Klinge auf, prüfte automatisch ihre Schärfe, indem er mit dem Daumen darüber­ fuhr, und wies Youngblood an: »Du bleibst am Gitter und warnst mich, sobald jemand kommt.«
     Während Youngblood an die Zellentür gelehnt stehenblieb, um ihn abzuschirmen, schlitzte Dillinger die Matratze seines Klappbetts auf der Unterseite eine Handbreit weit auf und schob die Pistole in den Schlitz. Er überzeugte sich davon, daß sie tief genug in der Füllung steckte, um nicht zufällig heraus­ fallen zu können. Erst dann blickte Dillinger lächelnd zu Youngblood auf.
     Youngblood starrte ihn verblüfft an. »Jesus, Mr. Dillinger!« war alles, was er herausbrachte.

    Die Hotelhalle war überfüllt, an der Bar drängten sich die Reporter drei Reihen tief, und das Stimmengewirr war so laut, daß man schreien mußte, um sich verständlich zu machen. Die allein an einem Bambustisch mit Blick auf die Straße sitzende junge Frau wirkte mit ihrem adretten schwarzen Kostüm, zu dem sie eine cremefarbene Satinbluse und auf dem blonden Haar eine Glocke aus schwarzem Samt trug, in dieser Umge­ bung fehl am Platz.
     Der Mann, der jetzt mit einem Glas in der Hand auf sie zutrat, war etwa Mitte Dreißig und trug einen abgeklärten, zynischen Gesichtsausdruck zur Schau. Er hatte seinen weichen grauen Filzhut in den Nacken zurückgeschoben.
     »Hallo«, sagte er. »Mike Jarvis, Associated Press. Wie ich höre, sind Sie von der Denver Press.«
    »Ja, das stimmt. Martha Ryan.«
    »Darf ich Sie zu einem Drink einladen?«
    Sie hob ihre Tasse. »Danke, ich trinke lieber Kaffee.«
     Er setzte sich ihr gegenüber und bot ihr eine Zigarette an. »Sie sind wohl hergeschickt worden, um über den Fall aus weiblicher Sicht zu berichten, was?«
     »Ja, das stimmt. Allerdings sieht’s nicht so aus, als ob jemand zu ihm vorgelassen würde.« Die Blondine zuckte mit den Schultern.
     »Aha, da kommt der Sheriff!« kündigte Jarvis an und nickte nach draußen.
     »Oh? Wo ist er?« fragte Martha Ryan und stand auf.
     Jarvis lachte. »Er ist eine Sie«, antwortete er und zeigte auf eine Frau in mittleren Jahren, die, von zwei Hilfssheriffs begleitet, die Straße überquerte. »Ihr Mann ist Sheriff im Lake County gewesen. Als er bei einer Schießerei umgekommen ist, hat sie das Amt bis zum Ende seiner Wahlperiode übernommen – wie in der Pionierzeit.«
     Die Eingangstür wurde geöffnet. Lillian Holley betrat die Hotelhalle und war
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