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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte
Autoren: Emilia Miller
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endlich aufhören würdest, mich zu verarschen?“
    Oh ja, ich hatte definitiv Feinde, zumindest einen Feind, der sich direkt vor mir befand und sehr böse auf mich zu sein schien. Ehe ich mich versah, machte ich die Augen auf und erblickte einen gedrungenen Mann mittleren Alters, der auf mich herunterblickte. Seine dunklen Haare waren graumeliert und so raspelkurz geschnitten, dass sie wie stachelige Borsten von seinem Kopf abstanden. In Verbindung mit seinem verkniffenen, von einigen Fältchen überzogenen Gesicht, erinnerte sein Anblick an einen wütenden Igel. Kann ein Igel überhaupt wütend sein, fragte ich mich beiläufig und musste bei diesem absurden Gedanken plötzlich kichern.
    „Du findest das Ganze sehr lustig, nicht wahr?“, fragte der Mann leise und ruhig und dadurch umso m ehr bedrohlich, während er einen weiteren Schritt auf mich zuging. Ich nahm einen Hauch von abgestandenem Schweiß und einen recht widerlichen Geruch nach ungeputzten Zähnen wahr, der mich sofort würgen ließ. Sofort machte der Mann einen Schritt zurück, um sich in Sicherheit zu bringen und rief laut: „Doktor, kommen Sie her! Sie übergibt sich gleich!“ Aus dem Augenwinkel vernahm ich eine weiße Gestalt, die mir eine Plastikschüssel vor das Gesicht hielt, und tat wie mir geheißen.
    „Es liegt an ihrer Gehirnerschütterung“, hörte ich eine sanfte Stimme, die irgendwie entschuldigend klang und spürte, wie jemand mein glühendes Gesicht mit einem feuchten Lappen reinigte und ein Glas Wasser vor meine ausgetrockneten Lippen hielt. Ich trank gierig, verschluckte mich und musste mich erneut übergeben.
    „Was für eine Show zieht sie ab?“, fragte der Polizist. Das Wort „Polizist“ hallte plötzlich durch meinen leeren Kopf, als ich seine Uniform mit dem Klang dieses Wortes in Verbindung brachte. Es wird immer besser, dachte ich. Du hast Probleme mit der Polizei.
    „Das ist keine Show, Officer“, sagte der nette Arzt, während er beruhigend meinen schmerzenden Kopf streichelte. „Ich habe Sie ja gewarnt, sie ist noch nicht soweit! Lassen Sie sie wenigstens ein paar Tage in Ruhe, um Gottes willen!“
    Ich hatte nicht nur Feinde, dachte ich, es gab auch einen Menschen, der mir freundlich gesinnt war.
    „Verdammt noch mal, Doc!“, fluchte der Polizist, „reißen Sie sich gefälligst zusammen! Wenn Sie mich fragen, lassen Sie sich viel zu sehr von ein paar hübschen, prallen Titten und ein paar Kulleraugen hinreißen. Dieses niedliche kleine Püppchen hier hat das Leben mindestens eines Menschen auf dem Gewissen, und womöglich das Leben eines zweiten Menschen!“
    „Nun, gut, dass ich Sie nicht frage“, erwiderte der Arzt unbeeindruckt. „Ich lasse mich von gar nichts hinreißen, sondern erledige lediglich meinen Job. Solange diese Frau meine Patientin ist, habe ich für ihr Wohl und ihre schnellstmögliche Genesung zu sorgen.“
    „Sehr löblich, Doc!“, keifte der Polizist, seine krächzende Stimme triefte vor Sarkasmus. „Haben Sie die Aufnahmen der Leiche gesehen?“
    „Ja, Officer“, antwortete der Arzt ruhig.
    „Dann haben Sie also mit eigenen Augen gesehen, was unser niedliches Schneewittchen dem armen Mann angetan hat?“ Er schüttelte fassungslos mit dem Kopf. „Sie haben gesehen, wie sie ihn zugerichtet hat, was sie mit seinen Augen, seinem Gesicht, seinem ganzen Körper angestellt hat?“
    „Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass ich die Fotos gesehen habe“, seufzte der Arzt genervt.
    „Dann haben Sie also auch gesehen, was sie mit seinen Genitalien angerichtet hat? Von Mann zu Mann, Doktor: Wie können Sie sich auf ihre Seite schlagen, nachdem Sie, verdammt noch mal, diese Aufnahmen gesehen haben?“, fragte er fassungslos.
    „Wie ich Ihnen bereits versucht habe, zu erklären, Officer“, sagte der Ar zt kühl, „schlage ich mich auf niemandes Seite, sondern erfülle lediglich gewissenhaft meine Pflicht. Was man von Ihnen leider nicht behaupten kann. Bevor Sie mich weiterhin so anstarren, alter Knabe… Fahren Sie doch bitte einen Gang runter! Es ist alles andere als bewiesen, dass diese Frau das grausame Verbrechen begangen hat. Und solange nichts bewiesen ist, bleibt sie ein unschuldiges Opfer. Wenn Sie mich fragen, Officer, dann verhalten Sie sich äußerst unprofessionell, gar voreingenommen!“
    „Na dann, Verehrtester“, äffte der Polizist ihn gehässig nach, „wie gut, dass ich Sie nicht frage!“
    Ich fühlte, wie meine erschlafften Hände wieder zum Leben erwachten und
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