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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher
Autoren: Jeffery Deaver
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Paket, das an mich adressiert ist?«
    »Ja, tatsächlich.«
    »Handelt es sich zufälligerweise um eine Uhr?«, fragte Rhyme. Longhurst lachte ungläubig auf. »Eine hübsche viktorianische Tischuhr. Wie, um alles in der Welt, konnten Sie das wissen?«
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    »Bloß so eine Ahnung.«
    »Unser Räumkommando hat die Uhr auf Sprengstoff überprüft, aber nichts gefunden.«
    »Nein, das ist keine Bombe.. Inspector, bitte schweißen Sie die Uhr in Folie ein und schicken Sie sie mir per Eilsendung. Und ich würde gern Ihren Bericht lesen, sobald er fertig ist.«
    »Natürlich.«
    »Und meine Partnerin.. « »Detective Sachs.«
    »Genau. Sie wird per Videokonferenz mit allen Beteiligten sprechen wollen.«
    »Ich stelle ein Dramatis Personae zusammen.«

    Trotz seiner Verärgerung und Bestürzung musste Rhyme über die Wortwahl lächeln.
    Er liebte die Briten.
    »Es war mir eine besondere Ehre, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, Detective.«
    »Ich kann das Kompliment nur erwidern, Inspector.«
    Er trennte die Verbindung und seufzte.
    Eine viktorianische Uhr.
    Rhyme sah zum Kaminsims, auf dem eine alte und ziemlich wertvolle Breguet-Taschenuhr lag, ein Geschenk ebendieses Täters. Die Uhr war hier abgeliefert worden, unmittelbar nachdem der Mann ihm hatte entkommen können, an einem eisig kalten Dezembertag vor nicht allzu langer Zeit.
    »Thom. Scotch. Bitte.«
    »Was ist los?«
    »Nichts ist los. Es ist nicht mehr Frühstückszeit, und ich möchte einen Scotch. Ich habe meine ärztliche Untersuchung ohne jede Einschränkung bestanden, und als ich das letzte Mal nachgesehen habe, warst du noch kein Moralprediger oder abstinenter Baptist. Wieso, zum Teufel, glaubst du, es sei etwas los?«
    »Weil du >bitte< gesagt hast.«
    »Sehr witzig. Spar dir heute deine schlauen Bemerkungen.«
    »Ich werd's versuchen.« Aber er runzelte die Stirn, als er Rhyme genauer in Augenschein nahm und etwas aus seiner Miene ablas. »Vielleicht einen Doppelten?«, fragte er sanft.
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    »Ein Doppelter wäre ganz reizend«, sagte Rhyme mit gespieltem britischen Akzent.
    Der Betreuer schenkte ihm ein großes Glas Glenmorangie ein und rückte ihm den Strohhalm zurecht.
    »Trinkst du einen mit?«
    Thom sah ihn ungläubig an. Dann lachte er. »Vielleicht später.« Wenn er sich recht erinnerte, war dies das erste Mal überhaupt, dass Rhyme ihm einen Drink angeboten hatte.
    Der Kriminalist trank einen Schluck des rauchigen Whiskys und musterte die Taschenuhr. Er dachte an den Brief, den der Killer damals beigelegt hatte. Rhyme kannte ihn inzwischen längst auswendig.
    Die Taschenuhr ist eine Breguet. Unter den vielen Uhren, die mir begegnet sind, ist sie mir die liebste. Sie wurde Anfang des neunzehnten Jahrhunderts gefertigt und verfügt über eine Zylin-derhemmung mit Rubinen, einen ewigen Kalender und einen mechanischen Schutz vor starken Erschütterungen. Ich hoffe, Sie wissen die Anzeige der Mondphase im Hinblick auf unsere kürzlich erlebten Abenteuer zu schätzen. Es gibt auf der Welt nur wenige Uhren wie diese. Ich überreiche sie Ihnen vol er Respekt als Geschenk. Niemand hat mich je von der Beendigung eines Auftrags abgehalten; Sie sind der Beste von al en. (Außer mir. Ich würde ja gern sagen, Sie seien so gut wie ich, aber das stimmt nicht ganz. Immerhin haben Sie mich nicht erwischt.) Ziehen Sie die Breguet regelmäßig auf (aber behutsam); sie wird die Zeit bis zu unserem nächsten Zusammentreffen zählen.
    Ein Ratschlag: An Ihrer Stel e würde ich jede einzelne dieser Sekunden genießen.

    Du bist gut, sagte Rhyme im Stillen zu dem Killer.
    Aber ich bin auch gut. Beim nächsten Mal bringen wir unser Spiel zu Ende.
    Dann wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Rhyme wandte den Kopf, kniff die Augen zusammen und sah aus dem Fenster. Etwas da draußen hatte seine Aufmerksamkeit erregt.
    Auf der anderen Straßenseite stand ein Mann in Freizeitkleidung. Rhyme fuhr mit dem TDX zum Fenster und blickte hinaus. Er trank noch einen Schluck Whisky. Der Mann stand neben ei
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    ner dunkel gestrichenen Bank vor der steinernen Mauer, die den Central Park begrenzte. Er hatte die Hände in den Taschen und starrte Rhymes Haus an.
    Anscheinend konnte er nicht sehen, dass man ihn von jenseits des großen Fensters beobachtete. Es war sein Cousin, Arthur Rhyme.
    Der Mann trat bis zum Bordstein vor und hätte fast die Straße überquert. Aber dann hielt er inne. Er ging zurück zu einer der Bänke und setzte sich neben eine Frau im Trainingsanzug, die aus einer
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