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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher
Autoren: Jeffery Deaver
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besonders glücklich darüber. »Tut mir leid, Detective.«
    Dennoch hatte er zu seinem Schutz hier schwarz auf weiß die entsprechende Verfügung. Und es tat ihm gar nicht so leid. Der Mann blieb einige Minuten neben ihnen stehen und verlagerte sein Gewicht dabei ständig von einem Bein auf das andere. Dann ging er weg.
    Der Schmerz in Amelias Innerem war weitaus heftiger als der des grünlichen Blutergusses, den das Neun-Millimeter-Projektil tags zuvor an ihrem Bauch hinterlassen hatte.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte Pam.
    »Nicht gut.«
    »Aber sonst bringt dich doch kaum etwas aus der Ruhe.« Sonst nicht, dachte Sachs.
    Jetzt schon.
    Das Mädchen wickelte sich eine der roten Haarsträhnen um die Finger, was vielleicht eine harmlosere Version von Amelias nervösem Zwangsverhalten war. Die musterte währenddessen ein weiteres Mal den hässlichen, etwa ein mal anderthalb Meter großen Metallquader, der inmitten eines halben Dutzends Artgenossen stand.
    Erinnerungen stiegen in ihr auf. Ihr Vater und die halbwüchsige Amelia, die die Samstagnachmittage gemeinsam in ihrer kleinen Garage verbrachten und an einem Vergaser oder einer Kupplung arbeiteten. Sie flüchteten sich aus zwei Gründen dorthin - weil sie Spaß daran hatten, zusammen an Autos herumzuschrauben, und weil sie dem launischen dritten Familienmitglied aus dem Weg gehen wollten: Sachs'
    Mutter.
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    »Elektrodenabstand und Zündzeitpunkt?«, testete er sie spielerisch.
    »Die Kerzen haben einen Elektrodenabstand von null Komma drei fünf Millimetern«, erwiderte Amelia. »Und der Zündzeitpunkt liegt bei dreißig bis zweiunddreißig Grad Kurbelwinkel vor OT.«
    »Gut, Amie.«
    Dann dachte Sachs an eine Verabredung in ihrem ersten Col egejahr zurück. Sie und ein Junge namens C. T. hatten sich an einem Imbiss in Brooklyn getroffen. Ihre Fahrzeuge waren für beide eine Überraschung. Sachs kam in dem Camaro - damals noch gelb mit pechschwarzen Zierstreifen - und er auf einer 850er Honda.
    Sie schlangen die Hamburger und Limos schnell hinunter. Es gab in nur wenigen Meilen Entfernung einen stillgelegten Flugplatz, und ein Rennen war unausweichlich.
    C. T. kam schneller vom Fleck, denn Sachs saß immerhin in einem anderthalb Tonnen schweren Gefährt, aber der Big Block des Camaro holte ihn nach nicht einmal achthundert Metern ein -er war vorsichtig, Amelia nicht. Schlitternd raste sie durch die Kurven und blieb bis zum Ziel in Führung.

    Schließlich die schönste Fahrt ihres Lebens: Nach dem ersten gemeinsam gelösten Fall -
    mit Lincoln Rhyme, der weitgehend reglos neben ihr auf dem Beifahrersitz festgeschnallt war, die Fenster heruntergekurbelt, der Wind tosend. Sie umfasste seine Hand auf dem Schaltknüppel und schaltete zusammen mit ihm die Gänge hoch, und sie wusste noch, wie er gerufen hatte: »Ich glaube, ich kann es fühlen. Ich glaube, ich fühle es!«
    Und nun war der Wagen weg.
    Es tut mir leid, Lady. .
    Pam kletterte die Böschung hinunter.
    »Was hast du vor?«
    »Sie sollten das lieber sein lassen, Miss.« Der Eigentümer stand vor seinem Büroschuppen und schwenkte die Papiere wie eine warnende Signalflagge.
    »Pam!«
    Doch sie ließ sich nicht aufhalten, sondern ging zu dem Metallknäuel und wühlte darin herum. Sie zerrte kräftig, zog etwas heraus und kehrte zu Sachs zurück.
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    »Hier, Amelia.« Es war der Knopf der Hupe mit dem Chevrolet-Emblem darauf.
    Sachs spürte die Tränen, drängte sie aber immer noch zurück. »Danke, Kleines. Komm, lass uns von hier verschwinden.«
    Sie fuhren zurück zur Upper West Side und hielten an, um sich mit einem Eisbecher zu stärken; Sachs hatte dafür gesorgt, dass Pam für einen Tag vom Unterricht befreit wurde. Sie wollte dem Mädchen nach der Trennung von Stuart Everett etwas Ruhe gönnen, und Pam hatte sich dankbar damit einverstanden erklärt.
    Sachs fragte sich, ob der Lehrer das Nein akzeptieren würde. Sie dachte an die billigen Schocker - ä la Scream und Freitag der 13. -, die sie und Pam sich manchmal spätabends anschauten, bewaffnet mit Doritos und Erdnussbutter. Amelia wusste, dass Exfreunde, genau wie die Mörder in Horrorfilmen, manchmal dazu neigen, von den Toten aufzuerstehen.
    Pam aß ihr Eis auf und klopfte sich auf den Bauch. »Das habe ich gebraucht.« Dann seufzte sie. »Wie konnte ich nur so dumm sein?«
    Die Liebe macht merkwürdige Sachen mit uns. .
    In dem darauf folgenden Lachen des Mädchens - das auf unheimliche Weise erwachsen wirkte -, glaubte Amelia Sachs die
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