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Der Sturz aus dem Fenster

Der Sturz aus dem Fenster

Titel: Der Sturz aus dem Fenster
Autoren: Amanda Cross
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daß sie mit einem Mann verheiratet war, der früher zur Bezirksstaatsanwaltschaft gehört hatte, nahm der Polizei jäh alle Hoffnung, die aber ohnehin sehr bald geschwunden wäre. Denn während genau jener Stunden, als Professor Adams sich über den Sims seines Fensters im siebten Stock stürzte oder stoßen ließ, hatte Kate, zusammen mit mehreren tausend anderen Leuten, ein Arlo-Guthrie-Konzert in der 9

    Carnegie Hall besucht. Ihr Neffe Leo Fansler, ein Anwalt, ihre Nichte Leighton Fansler, eine Schauspielerin, und ein Freund von Leo, der für eine große Bank arbeitete, hatten sie begleitet. Kate hatte auf Einladung ihrer Nichte die Eintrittskarte eines anderen Freundes, ebenfalls Anwalt, übernommen, der plötzlich Überstunden bei einem Fall machen mußte. Im Foyer hatten sie mehrere Bekannte getroffen und waren darüber hinaus – was jeden möglichen Zweifel, ob Kate wirklich die ganze Zeit dort gewesen war, ausräumte – Anlaß eines kleinen Aufruhrs gewesen, der entstand, weil Leos Freund eine Flasche Bourbon in die Carnegie Hall geschmuggelt hatte. Die Platzanweiser hatten diese dann konfisziert, was für allgemeine Aufregung sorgte und die Aufmerksamkeit aller im Umkreis auf den Fanslerclan und seine Freunde lenkte. Es entbrannte ein Streit darüber, was auf einem Rock- oder Folkkonzert erlaubt sei; die Platzanweiser interessierte nur, was in der Carnegie Hall zulässig war und was nicht, und Alkohol war eben nicht erlaubt. Zur enormen Enttäuschung nicht weniger hatte Kate Fansler also ein unwiderlegbares und von vielen bezeugtes Alibi. Daß sie, was ihren Charakter betraf, die letzte Person war, von der man sich vorstellen konnte, daß sie irgend jemanden aus einem Fenster warf, fiel für die Polizei und, um die Wahrheit zu sagen, auch für die Universitätsverwaltung kaum oder gar nicht ins Gewicht. Aber der Besuch eines Konzerts, selbst wenn es sich um das eines langhaarigen Radikalen wie Arlo Guthrie handelte, der Songs wie ›This Land Is My Land‹, ›Amazing Grace‹ und ›Alice’s Restaurant‹ sang – an jenem Abend sang er alle drei –, war ein Alibi.
    Und daran war nicht zu rütteln.
    Auf Thanksgiving war Weihnachten gefolgt und auf Weihnachten Neujahr, und nach Neujahr hatte das Frühjahrssemester angefangen, ohne daß die Aufklärung des Mordes an Adams in Sicht war.
    Eines Tages bat Matthew Noble Kate zu einer Unterredung ins Rektorat. Kate, die, wie ihre Nichte Leighton öfter bemerkte, was alltägliche Dinge betraf, keine so große Detektivin war, wie sie gern vor-gab, machte sich ohne die geringste Ahnung, was Matthew Noble von ihr wollte, auf den Weg. Adams’ Ermordung war in den Hintergrund getreten, was wohl das Schicksal aller Ereignisse an einer Universität ist, die gerade von einer Lawine von Zwischenprüfungen, Immatrikulationen, Neuberufungen und Doktoranden-Rigorosa über-rollt wird. Kate ging ihrem Schicksal so ahnungslos entgegen, so sagte sie zumindest später, wie Adams, als er an jenem fatalen Abend sein Büro betrat. Später sollte sie sich fragen, ob sie nicht lieber 10

    selbst mit einem Angreifer auf dem Fenstersims gerungen hätte…
    denn dann, so sollte sie noch oft behaupten, hätte sie wahrscheinlich bessere Chancen gehabt zu siegen.
    Im Laufe ihrer Universitätskarriere hatte Kate schon viele Gespräche mit der Verwaltung gehabt, aber zum ersten Mal mußte sie nicht warten. Eine offensichtlich nervöse Sekretärin führte sie sofort ins Rektorat. Verwaltungssekretärinnen, die – nach Kates Meinung –
    den Universitätsbetrieb im Griff hatten, während ihre Bosse sich auf Sitzungen herumtrieben und ihre Macht genossen, waren meist selbstbewußt, aber nicht arrogant, und freundlich, ohne je intim zu werden. Daß die Rektoratssekretärin so verstört war, verhieß nichts Gutes. Hatte man etwa vor, sie zu feuern? Weshalb wohl? Na, dachte Kate, dann mache ich eben eine Privatdetektei auf. Daß dies ihr Gedanke war, als sie den Raum betrat, wurde später von ihren Nächsten und Liebsten als Beweis für Hellseherei gewertet. Worüber Kate abfällig schniefte.
    Aber vorerst nahm sie Platz – alle Verwaltungsfachleute, außer der einzigen Frau unter ihnen, waren bei Kates Eintreten aufgestan-den und hatten ihr die Hand gegeben. Die einzige Frau, eine Dekanin, war eine Freundin von Kate und schien sich als einsame Vertre-terin des weiblichen Geschlechts in dieser eigenartigen Versamm-lung über die Prozedur zu amüsieren. Die anderen schienen das genaue
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