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Der Sturz aus dem Fenster

Der Sturz aus dem Fenster

Titel: Der Sturz aus dem Fenster
Autoren: Amanda Cross
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Thanksgiving, und der Sicherheitsdienst arbeitete mit minimaler Besetzung. Über sein Walkie-Talkie setzte der Wachmann sich mit der Zentrale in Verbindung und erhielt die Anweisung, zu bleiben, wo er war. Fluchend lief der zweite der Wachmänner los und versuchte gleichzeitig zu entscheiden, ob er, falls es sich wirklich um eine Leiche handeln sollte, zuerst die Polizei oder die Universitätsverwaltung informieren solle. Lieber erst nachschauen und dann entscheiden, sagte er sich.
    Butler, so hieß der stellvertretende Leiter der Sicherheitstruppe, ärgerte sich, daß der Boss über Thanksgiving freigenommen hatte.
    Er traf den Wachmann vor einem Gebäude, das den Namen Levy Hall trug. Ein Blick, und ihm war klar, daß man es hier mit dem Tod zu tun hatte; trotzdem beugte sich Butler über die Leiche, um sich zu vergewissern. Nicht nötig, den Puls zu fühlen. Der ungebremste Sturz aus dem siebten Stock ließ keinen Zweifel zu. Der Tag war kalt, und das wenige Blut war gefroren. Butler wunderte sich, daß so wenig Blut zu sehen war; schließlich war der Körper ja auf Beton aufgeschlagen.
    Butler beschloß, zuerst einen der Vizepräsidenten zu benachrichtigen, am besten den, der für inneruniversitäre Fragen zuständig war.
    Außerdem beschloß er, die Leiche nicht anzurühren. Schließlich hatte er den Mann sofort erkannt – es war ein Professor, der schon lange hier war und sich bei den Wachmännern wegen seiner Launen und Aufgeblasenheit unbeliebt gemacht hatte. Mit Hilfe seines Uni-versalschlüssels betrat Butler das Gebäude, aus dem der Mann gesprungen, gefallen oder – Gott bewahre! – gestoßen worden war, und rief vom Telefon in der Halle aus den Vizepräsidenten an. »Sie sollten lieber die Polizei benachrichtigen«, antwortete dieser Gentleman, 6

    nachdem der Ernst der Botschaft seinen Ärger über die Störung be-sänftigt hatte. »Aber warten Sie noch zehn Minuten, damit ich vor der Polizei da bin.«
    Wenn ich die Polypen schon vor einer halben Stunde angerufen hätte, hätten Sie immer noch genug Zeit gehabt, dachte Butler. Er hatte schon öfter mit der Polizei zu tun gehabt und machte sich keine Illusionen. Trotzdem, hier ging es um einen Todesfall; wahrscheinlich würde jemand von der Bezirksanwaltschaft kommen müssen. Er sah auf seine Uhr, wartete zehn Minuten und ging derweil zu dem ratlos herumstehenden Wachmann, um ihn zu beruhigen. Butler gehorchte Befehlen: alles andere wäre Wahnsinn gewesen an diesem Ort reicher Kinder und überbezahlter Professoren. Wenn er, Butler, so viel Geld für so wenig Arbeit bekäme, hätte er weiß Gott Besseres zu tun, als aus dem gottverdammten Fenster zu springen. Na, diese Kerle waren eben alle Spinner, aber – wer konnte das wissen – vielleicht war der Kerl ja auch geschubst worden.
    Laut Butlers exzellenter Uhr brauchte der Vizepräsident genau acht Minuten, bis er ungekämmt und aufgeregt erschien – all das würde natürlich im Bericht vermerkt werden – und sich die Leiche ansah. Unglücklicherweise (je nachdem, wie man die Sache betrachtete) erkannte er den Toten sofort. Es war Professor Canfield Adams, über den der Vizepräsident, Matthew Noble, genug wußte, um Butler zu versichern, jener sei der letzte, der aus einem Fenster springen oder fallen würde. Außerdem sei er jemand, den mindestens vierzig an dieser Universität beschäftigte Leute und Gott weiß wie viele Außenstehende mit Freuden hinuntergestoßen hätten. Butler ging los, um die Polizei zu rufen, und Matthew Noble ging auf die Toilette. Zu dritt warteten sie dann in der Halle, denn es war ein kalter Tag und das Gebäude über die Feiertage nicht geheizt. Matthew Noble versuchte seinen aufgewühlten Magen durch vernünftige Gedanken zu besänftigen und machte im Geist eine Liste jener Leute, die ein Motiv gehabt hätten, Canfield Adams aus dem Fenster zu befördern.
    Die Übung war sonderbar beruhigend.
    Die etwa vierzig Verdächtigen auf Matthew Nobles Liste waren allesamt Mitglieder von Adams’ Fachbereich, Kultur und Literatur des Mittleren Ostens, der widersinnigerweise in einem Gebäude untergebracht war, das nach seinem lang verschiedenen Stifter Levy Hall hieß. Zur Zeit der Stiftung hatte das Gebäude die verschiedenen romanischen Sprachen und Literaturen beherbergt, die inzwischen über die verschiedenen Häuser auf dem Campus verstreut waren. Die 7

    Kultur und Literatur des Mittleren Ostens hatte eine beachtliche Schenkung erhalten und konnte so die Levy Hall ganz
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