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Der Sturz aus dem Fenster

Der Sturz aus dem Fenster

Titel: Der Sturz aus dem Fenster
Autoren: Amanda Cross
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älter und in miserabler Form war, vor Schreck umkippte und mit blutender Nase auf der Erde lag, ehe er ihn überhaupt angerührt hatte.
    »Warum er einen Schlüssel hatte? Ganz einfach, weil er einen Ort für seine regelmäßigen Treffen mit schwarzen Studenten und einigen Dozenten brauchte. Er war der Meinung, es sei ihm nicht zuzumuten, sich jeden Samstag, dem Tag der Treffen, den Schlüssel aus der Wachzentrale zu holen. Und wenn wir weiterhin offen reden wollen, was ich vorhabe: Er bekam den Schlüssel, weil es sonst so ausgesehen hätte, als habe die Verwaltung Bedenken, einem schwarzen Dozenten einen Schlüssel anzuvertrauen.«
    »Warum hat er kein Alibi – wo doch alle anderen eins haben?«
    »Er wollte über etwas nachdenken und machte einen langen Spaziergang in Richtung City. Das hat er seiner Frau erzählt. Als Schwarzer hatte er Schwierigkeiten, ein Taxi für den Rückweg zu bekommen, deshalb nahm er den Bus und war wohl länger unterwegs, als er eigentlich vorhatte. Niemand hat ihn gesehen, er traf keinen Bekannten, er hat kein Alibi.«
    »Und was ist der zweite Grund?« fragte Kate, wie sie hoffte, in leichtem Ton. Edgerton lehrte Literatur, sowohl amerikanische wie afro-amerikanische, eine Unterscheidung, die – wie bei Literatur und feministischer Literatur – widersinnigerweise immer noch gemacht wurde. Er und Kate waren Freunde. Zu Anfang sahen sie sich eher als Leidensgenossen, weil beide an der Universität Außenseiter waren, später dann, nachdem sie in endlosen Komitees zusammenge-sessen und festgestellt hatten, daß sie einander mochten und vertrau-ten, verband sie Freundschaft.
    »Der zweite Grund ist schlicht und einfach der«, sagte Edna,
    »daß Adams’ Frau aufgehetzt wurde, die Universität zu verklagen, auf alles, was man sich nur denken kann, angefangen von Fahrlässigkeit bis ich weiß nicht was, mir entfallen ständig die Fachtermini, bis Totschlag, glaube ich. Aber wenn wir den Mörder haben, kann sie uns nur wegen Fahrlässigkeit verklagen, vorausgesetzt, sie kann uns die nachweisen. Denn schließlich ist es ja nicht so, als geschähen an dieser Universität ständig Verbrechen und als gäbe es keinerlei Sicherheitsvorkehrungen. Fester verriegelt könnten die Institute 15

    kaum sein; deshalb sieht es ja so schlecht für Humphrey aus, der schließlich einen Schlüssel hatte. Und für die Universität sieht das Ganze natürlich auch nicht gerade großartig aus.
    Eins sollst du wissen«, fuhr Edna fort, ehe Kate zu Wort kam.
    »Im Gegensatz zu einigen der anwesenden Herren will ich nicht so tun, als wäre es uns leichtgefallen, dir diese Aufgabe anzutragen.
    Aber wenn du die Sache gründlich abwägst, worum ich dich dringend bitte, ehe du uns deine Antwort gibst, mußt du zugeben, daß du alle Voraussetzungen erfüllst: Du bist mit der Situation vertraut, besitzt Takt und hast außerdem schon mehrere Fälle aufgeklärt. Dar-
    über hinaus hast du als einzige unter all jenen, die Adams nicht gerade schätzten, ein absolut unantastbares Alibi.«
    Kate sagte: »Bist du dir darüber im klaren, daß er vielleicht von jemand ermordet worden ist, der auf unserer Liste seiner Feinde oder auch nur mit ihm Bekannten gar nicht auftaucht? Einer der in diesem Raum Anwesenden könnte ihn ermordet haben.«
    »Eins zu null. Aber wir müssen uns an das Wahrscheinliche halten. Und selbst wenn keiner von uns seinen Mörder kennt, trauen wir dir am ehesten zu, ihn zu finden. Denn wie ich die Polizei einschät-ze, wird sie sich aus den falschen Gründen auf die falsche Person stürzen. Einen Zionisten zum Beispiel.«
    »Willst du etwa behaupten, Adams habe für die PLO gearbeitet?«
    »Ich will überhaupt nichts behaupten. Adams’ Spezialgebiet war die Geschichte des Islam, und soweit ich weiß, hatte er weder für noch gegen Israel heftige Gefühle. Aber fest steht, daß er in seinem Fachbereich moderne jüdische Geschichte nicht als Thema haben wollte – mit der Begründung, Israel spiele erst seit der Mitte dieses Jahrhunderts eine Rolle im Mittleren Osten. Aber ich wollte eigentlich auf diesem Thema nicht herumreiten, sondern nur deutlich machen, daß wir auf dem sprichwörtlichen Pulverfaß sitzen. Und wir wenden uns an dich, als Frau, die sich kein X für ein U vormachen läßt, um ein weiteres Sprichwort zu gebrauchen.«
    »Vielleicht richte ich nicht mehr aus als Mr. Micawber. Und im Gegensatz zu Mr. Micawber habe ich einen Preis.«
    Das war das Stichwort für den Rektor. »Wir sind
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