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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm
Autoren: Per Johansson
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Osby« gegründet hatte und der dann, kaum dass er sich in die Tochter eines reichen Bauern verliebt hatte, zu einem aufrechten Konservativen und Patrioten geworden war. Mats, der kluge, der geschickte, der Redner und Charmeur. Er war nun Chefredakteur, Geschäftsführer und Leitartikler von »Skåneposten«, seit vielen Jahren schon und in einer Person, und er war es gewesen, der Ronny die Stelle als Lokalreporter gegeben hatte – nachdem seine Mutter die Mutter Mats Eliassons eines Samstags auf dem Wochenmarkt von Osby getroffen hatte, am Gemüsestand, und sie gefragt hatte, ob es denn nicht für ihn eine kleine Stelle bei Skåneposten gebe: Er spreche doch so gut Französisch, und was er nicht alles gelesen habe … Sie wäre ja so froh, wenn er wieder bei ihr in der Nähe sein könnte, sie habe ja sonst niemanden. Die Mütter setzten sich durch: Mats Eliasson hatte ihn dann tatsächlich eingestellt, mit Mitte vierzig und dem Gehalt eines Berufsanfängers.
    Das Telefon klingelte. »Kommst du gut voran?«, fragte Leif Karlsson, der Kollege aus Hässleholm mit den guten Verbindungen zur Polizei. »Hör zu, sie wissen hier zwar nicht viel, aber bei drei Dingen sind sie sich ziemlich sicher. Zum einen, dass der Tote mit einer Schaufel erschlagen worden ist, mit mehreren Schlägen auf Kopf und Nacken. Die Schaufel haben sie.«
    »Das weiß ich schon«, sagte Ronny, aber Leif Karlsson ließ sich nicht irritieren. »Die Gerichtsmedizin ist mit ihrem ersten Bericht schon fertig, einmal abgesehen davon, dass die Leiche nicht vollständig ist. Es fehlt zum Beispiel der linke Arm. Er liegt beim Dachs im Bau, glauben sie, vielleicht zusammen mit einer goldenen Rolex, das wäre ja etwas. Da müsste man ja selber anfangen zu graben, ha, ha. Weiter, dass der Besitzer des Hofes mit dem Mord wohl nichts zu tun hat. Sie werden ihn zwar noch ein paarmal verhören, aber da ist nicht die Spur eines Motivs und auch sonst nichts. Der arme Kerl scheint mit den Nerven völlig fertig zu sein. Kann man ja auch verstehen. Und schließlich, dass der Tote entweder ein sehr wohlhabender Schwede sein muss oder ein Ausländer, vielleicht ein Deutscher oder ein Brite. Papiere haben sie nicht gefunden, auch kein Geld. Aber seine Kleidung ist teuer, alles feine Marken, vor allem englische. Ansonsten nichts, aber sie werden schon noch etwas finden, am Gebiss oder sonstwo.«
    »Die Schuhe sind mir aufgefallen«, sagte Ronny vorsichtig.
    »Die Polizisten haben sie auch bemerkt. Pelle Larsson hat mir sogar von der Marke erzählt. Er fand den Namen lustig – ›Hutmacher‹ heißen sie.«
    »Sonst noch etwas?«
    »Beeil dich mit dem Schreiben. Mats will gegenlesen. Hast du Bilder?«
    »Ja, ein paar.«
    »Schick sie zuerst. Dann können wir schon einmal die Seiten bauen.«
    Es ging leidlich mit dem Schreiben. Den ersten Versuch, der mit dem Satz anfing: »Eine unangenehme Überraschung wartete auf Bertil Cederblad, als er nach dem Winter in sein Sommerhaus in Visseltofta zurückkehrte«, wies der Chefredakteur zwar zurück. Aber dann gewann die Geschichte Leben und Farbe, weit über das Nachrichtliche hinaus, und es gelang Ronny sogar, ein halbwegs anrührendes Bild eines Lehrers zu zeichnen, der seiner ländlichen Herkunft zwar entwachsen ist, aber doch versucht, ein Erbe zu wahren und seiner Familie nicht untreu zu werden. Die Leiche hatte Bertil Cederblad, schrieb Ronny, wie ein Meteorit getroffen.
    »Man muss bei uns nicht gut schreiben«, sagte der Chefredakteur oft und gerne, »nur ein bisschen besser, als die Leser selbst schreiben. Gute Schreiber machen die Leser nur misstrauisch. Sie halten Stil für eine Lüge.« Und so schrieb Ronny meistens auch, über Entlassungen und Neugründungen, über die Sitzungen der Kommunalverwaltung und öffentliche Neubauten, über Jubiläen und Füchse, die Hühner rissen, über Streitigkeiten unter Nachbarn und mit den Ämtern, über kleine, ungeschickte, dumme Raubüberfälle, über unwillkommene Windräder, über Landwirtschaftsausstellungen und über Unfälle, Unfälle, Unfälle, mit Lastwagen und Bussen, Familienkutschen und Motorrädern, ohne Elche und mit Elchen – vor allem an Herbstabenden schienen diese großen Tiere zuhauf auf die Straßen zu laufen. Ein paarmal hatte die Zeitung auch Musikkritiken von ihm gedruckt, bis ihn ein Praktikant, der wahrscheinlich noch nicht einmal fünfundzwanzig Jahre alt war, zur Seite nahm, um ihm zu sagen, dass dies zwar eine Provinzzeitung sei, aber keine Anstalt
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