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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm
Autoren: Per Johansson
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Schnellimbiss an der Straße von Osby nach Växjö gesessen, einer heruntergekommenen Bude, die einem amerikanischen »Diner« nachgebaut war, als ein großer, neuer, dunkelblauer BMW zum Tanken gehalten hatte. Solche Autos sind selten in dieser Gegend. Ungeduldig war der Fahrer gewesen, ein mittelgroßer, drahtiger Mann in blauem Sakko und grauen Hosen, hatte mit seiner Kreditkarte auf den Tresen getrommelt, und laut hatten seine Schritte auf dem hölzernen, mit Linoleum beklebten Boden gedröhnt, so laut, dass Ronny sich die Schuhe angesehen hatte, die solch einen Lärm machten, feine, schwarze Herrenschuhe mit Ledersohle. Als der Mann davongestapft war, mit einer Dose Cola in der Hand, hing noch der Geruch von Schuhwichse im Raum.
    Die Abendnachrichten von »Radio Kristianstad« brachten die Meldung vom Toten an erster Stelle. Sie konnten sogar einen Satz Bertil Cederblads wiedergeben: »Nein, man ist ja ganz schockiert, wenn man so etwas sieht«, hatte er in ein Mikrophon gestottert. Der Dachs kam nicht vor. Eine Gewalttat, so die Polizei, könne nicht ausgeschlossen werden. Ronny fand die ganze Veranstaltung, je weiter er davon entfernt war, immer absurder.

Vier
    »Er fand den Toten in seiner Scheune«, lautete am Sonntagmorgen die Schlagzeile auf der ersten Seite von »Aftonposten«, der einen der beiden großen Boulevardzeitungen Schwedens. Ein unscharfes Bild Bertil Cederblads auf seinem Hof war daneben zu sehen, mit einem roten Kreis um den Kopf. »Mord im Ferienhaus« meldete »Kuriren«, das andere bunte Blatt. Beide hatten offenbar noch mit Bertil gesprochen, hatten sich seine Geschichte erzählen lassen und die Geschichte des Hofes, beide schilderten den Schrecken, der einen harmlosen Lehrer aus der Großstadt ergreift, am ersten Frühlingstag, wenn er sein privates ländliches Idyll vom Winter befreien will, beide ergingen sich in Andeutungen über den grässlichen Zustand der Leiche, beide brachten Bilder, vom Lehrer, vom Bauern, vom Hof, hinter dem gelben Schild »avspärrat« und den blauweißen Kunststoffbändern. »Nie werde ich ein richtiger Journalist werden«, sagte sich Ronny, »jedenfalls nicht so einer.« Dieses Bemühen, sich selbstzufrieden seiner eigenen Unfähigkeit zu versichern, hatte etwas Lächerliches, und das wusste er auch: Im kommenden Jahr würde er fünfzig werden.
    Er rief den Polizisten im Polizeipräsidium von Kristianstad an, der dort die Journalisten betreute. Nein, der Tote sei noch nicht identifiziert worden. Nein, man wisse nicht, wie er in die Scheune hineingekommen sei. Nein, es habe, soweit man das bisher sagen könne, keine verwertbaren Spuren auf dem Hof gegeben, keine Reifenabdrücke eines Fahrzeugs, nichts, was aufgebrochen worden wäre. Nein, man habe keine Vermutung zum Hintergrund der Tat. Ja, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Tote ermordet worden sei. Und ja, es gebe eine Vermutung, was die Tatwaffe betreffe.
    »Glaubt ihr, dass das ein Schwede war? Oder ein Ausländer?«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Die Tatwaffe?«
    »Vemutlich eine Schaufel. Sie lag in der Nähe des Tatorts.«
    Ronny hätte nun von seinem Erlebnis im Schnellimbiss an der Reichsstraße  23 berichten können. Der Satz: »Ich habe da etwas gesehen, was euch vielleicht helfen könnte«, lag ihm auf der Zunge. Aber er sprach ihn nicht aus. Die Prügel vom Schulhof wirkten noch, nach fast vierzig Jahren. Und zu gut erinnerte er sich daran, mit welcher Schroffheit und Herablassung er von Pelle gestern in Visseltofta behandelt worden war. Und er wusste, aus langer und bitterer Erfahrung, was die Leute in dieser Gegend von ihm dachten: Für einen Verlierer hielten sie ihn, für einen anmaßenden Spinner, der vor über zwanzig Jahren die Stadt verlassen hatte, nicht nur, um zu studieren, sondern auch, wie alle wussten, um die Herrschenden und ihre Klasse zu stürzen. Und vor fünf Jahren war er dann zurückgekommen, allein, arm, ja fast abgerissen, mit sonderbaren Gewohnheiten und immer noch ein Besserwisser. Wäre er nicht der Sohn des alten Bo gewesen, der vierzig Jahre lang die Grundschule von Osby geleitet hatte, würde er sich nicht um seine Mutter kümmern, die, ein wenig tattrig, aber immer noch licht im Kopf, im Altenheim am Osby-See wohnte – er wäre noch einmal gescheitert, gründlicher, hoffnungsloser denn je. Er hätte wieder gehen müssen.
    Und dann war da selbstverständlich noch Mats Eliasson, der Schulfreund, mit dem zusammen er den »Sozialistischen Kampfbund
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