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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm
Autoren: Per Johansson
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fürsorglicher Mann: Den alten Volvo, den Bertil Cederblad mit Haus und Hof von seinem Großvater geerbt hatte, einen Duett aus dem Jahr 1964 , rot, mit weißen Fensterrahmen, noch immer fahrtüchtig, noch immer angemeldet, hatte er aus der Winterverwahrung in der geheizten Maschinenhalle schon auf seinen Stammplatz im Schuppen neben der Scheune gefahren. Bertil Cederblad liebte dieses Auto.
    Er sperrte die Tür des Vorhauses auf und dann die Küchentür. Ein kalter, muffiger Geruch schlug ihm entgegen, ein Geruch wie von feuchten Wänden, alten Zeitungen und Mäusekot. Er riss die Fenster auf, ging in den Keller, schloss einen Schlauch an die Wasserpumpe an und zog ihn nach draußen, auf die abschüssige Wiese, wo einst die Johannisbeeren und der Rhabarber gewachsen waren und wo nun bald die Brennesseln sprießen würden. Monatelang hatte das Wasser im Brunnen gestanden, es musste jetzt hinaus und durch frisches Wasser ersetzt werden, genauso wie das Wasser in der Toilette, dem Bertil Cederblad bei seinem letzten Besuch im Herbst Glykol hinzugefügt hatte, damit es nicht einfror, obwohl er genau wusste, dass er das nicht durfte. Denn wo ging das Glykol hin, wenn nicht in die Sickergrube hinter dem Haus und dann weiter ins Grundwasser?
    Ein Auto fuhr vorbei, ein kleiner Kombi mit einer deutschen Nummer, und Bertil Cederblad winkte den beiden Passagieren zu, obwohl er sie nicht kannte. Sie winkten zurück, offenbar froh, gegrüßt zu werden. »Wir sind ja auf dem Land«, dachte er und vermutete, dass diese Deutschen zu einem der alten »torp« im Wald gehörten, einem der vielen Tagelöhnerhäuser, die in den vergangenen Jahren in dieser Gegend von Dänen oder Deutschen gekauft worden waren und ohne deren bedingungslosen Einsatz längst unter Brombeeren und Ackerwinden verschwunden wären. Der kleine Baumarkt in Osby, »Järnia«, schien hauptsächlich von diesen seltsamen Neusiedlern zu leben, friedlichen Menschen mittleren Alters meistens, die nach einem bescheidenen, aber festen Platz im Leben suchten, ganz für sich allein, und wenn sie ihn gefunden zu haben meinten, dauerte es meistens nicht lange, bis sich ein solches Haus in ein kleinbürgerliches Paradies verwandelte, mit hellen Vorhängen, Kaffeemaschine und einer oft gut versteckten Parabolantenne.
    »Manchmal«, dachte Bertil Cederblad, »kann die Ruhe hier fast unerträglich sein«, und er erinnerte sich an eine windstille Nacht im vergangenen Sommer, als er mitten in der Nacht aufwachte und die drei Glocken von St. Petri zu hören glaubte, der großen alten Backsteinkirche in Malmö. Ihr Geläut weckte ihn gewöhnlich in seiner Wohnung, vor allem am Sonntagmorgen, wenn er für so viel Lärm noch gar nicht bereit war. Damals hatte er, noch im Halbschlaf, große Angst bekommen und zuerst geglaubt, es seien tatsächlich diese Glocken, die da in tiefster Finsternis Alarm gaben, und es sei nun Krieg oder es habe eine Naturkatastrophe gegeben, von der er hier, mitten im Wald, nur nichts mitbekommen habe. Er war erst wieder eingeschlafen, als der Morgen gegraut und die Vögel zu singen begonnen hatten, der Rotschwanz zuerst und dann all die anderen. Aber diese Sinnestäuschung war ihm im Gedächtnis geblieben, er war ja doch sehr erschrocken, und fast immer, wenn er an den Hof dachte, kam sie ihm nun in den Sinn. »Ich bin zu viel allein«, sagte er sich dann und sehnte sich zurück in die Zeit, als seine Frau noch bei ihm gewesen war, aber nicht der Frau wegen, sondern weil er damals nicht so einsam gewesen war. Er hatte jetzt das Radio eingeschaltet und hörte Radio Kristianstad, die staatliche Rundfunkstation für den Norden und Osten Schonens, die von den Bauern auf ihren Traktoren in vollverglasten, klimatisierten Führerhäuschen empfangen wurde und hauptsächlich die Lieder längst vergangener Hitparaden sendete, aber eben auch den regionalen Wetterbericht. Es sollte schön bleiben in den kommenden Tagen.
    Brombeeren und Brennnesseln gab es übrigens auch bei ihm, und gar nicht wenig, auch Schachtelhalme, Wegerich, Disteln und noch viel mehr Pflanzen, die jeder Gärtner sofort herausgerissen hätte. Das ganze Unkraut zog sich an den roten hölzernen Wänden der beiden Scheunen empor, die zusammen mit dem Wohnhaus ein offenes Geviert bildeten. Nirgends floss in diesem Hof das Wasser ausreichend ab. Längst hätte er Regenrinnen installieren oder wenigstens den Boden um die Scheunen herum ausheben müssen. Aber die Fläche zwischen Wohnhaus und Scheunen
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