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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm
Autoren: Per Johansson
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Ohren gehauen bekommen, denn natürlich würden sie besser sein als das, was er selber zustande bringen konnte. Immerhin machte er mit seiner billigen Panasonic ein paar Fotos vom Spektakel auf dem Hof. Die richtig großen Kameras gehören vermutlich der Polizei, dachte Ronny, während er zusah, wie sie mit Blitzlichtern jeden Winkel des Tatorts festhielten.
    Ronny schaute sich im Wohnzimmer um: Hier war offensichtlich in den frühen siebziger Jahren renoviert worden, einmal, und dann nie wieder: ein braunorange gestreiftes Sofa, vermutlich von Ikea, ein niedriger, aber schwerer Fichtenholztisch, Gardinen mit großen roten stilisierten Blumen auf gelbem Grund, eine braune Kunststofflampe, ein silbernes Kofferradio von Grundig mit abgebrochener Antenne, ein kleiner Röhrenfernseher. Es gibt kein solch altes Kofferradio, dessen Antenne nicht abgebrochen ist, dachte Ronny. Das liegt vielleicht an den runden Ecken. Oder am hohen Schwerpunkt. Daran, dass es deswegen so leicht umfällt.
    Auf einem Absatz des offenen, gemauerten Kamins, dessen Feuer wahrscheinlich nur den Himmel heizte, stand ein ausgestopfter Bussard mit ausgespannten Flügeln. Er trug, aus welchen Gründen auch immer, einen gelben Schnuller im Schnabel. Es war nicht klar, was der Vogel an diesem Ort verloren hatte. So ähnlich, vermutete Ronny, sehen in Schweden Tausende von ehemaligen Bauernhöfen aus. In einem Korb neben den Kamin lag ein großer Haufen alter Zeitungen und Magazine. Als nichts mehr zu sagen war und draußen nichts Neues mehr zu geschehen schien, zog sich Ronny mit ein paar Ausgaben von » PV -Entusiasten«, der Fachzeitschrift für Besitzer alter Volvos, auf das Sofa zurück. Der Polizist hatte ein paar Kreuzworträtsel-Zeitschriften und einen Bleistiftrest gefunden. Der Bauer und Bertil begannen ein Gespräch über andere Großcousins und entfernte Neffen. Doch je länger die Stunden wurden, desto größer wurde auch die Langeweile. Immer wieder ging einer der Männer an ein Fenster und sah hinaus: In der Scheune, auf dem ganzen Hof schienen die Menschen in Plastik-Anzügen mittlerweile jeden Zentimeter abzusuchen.
    Am späten Nachmittag kam der kleine, rundliche Mann zusammen mit einem Assistenten endlich ins Haus, erklärte, jetzt mit jedem Anwesenden einzeln reden zu wollen, und sprach, im früheren »salen«, dem nie benutzten und einst nur den feierlichsten Gelegenheiten vorbehaltenen Raum, zuerst mit Bertil und dann mit dem Bauern. Es war bitter kalt in diesem Zimmer, viel kälter als draußen, auf eine feuchte Art, so dass der Atem vor dem Gesicht als kleine Wolke zu sehen war und die Kälte alsbald in die Füße kroch. Ronny wusste schon lange, dass keiner der Anwesenden etwas zur Aufklärung beitragen konnte. Die ganze Veranstaltung nervte ihn nur noch. Der kleine Mann kam schließlich heraus und trat zu ihm.
    »Wieso bist du eigentlich hier? Was hast du hier verloren?« Der Kommissar musste den Satz hinaufschnauzen. Er war fast zwei Köpfe kleiner als Ronny.
    Dieser hatte das Gefühl, sich wehren zu müssen. »Ich war schneller als ihr, Klumpen.«
    »Red nicht. Und nenn mich nicht ›Klumpen‹. Hast du mir etwas zu sagen?«
    »Was denn, Klumpen – oh, Entschuldigung, ich meine: Pelle? Als ich herkam, waren deine beiden Kollegen aus Osby schon da. Und was weißt du?«
    »Frag morgen unseren Pressemann. Ich bin fertig hier. Die Spurensicherung braucht noch Stoff- und Speichelproben von euch.«
    Eine klare, blaue Dämmerung hatte sich über den Hof gesenkt, über die Wiesen und den Wald, als auch diese Arbeit getan war. Über dem Fluss waren Nebelstreifen aufgezogen. Die drei Polizeiwagen waren zwar an die Seite gefahren worden, in die Mündung eines Feldwegs. Aber noch immer flackerte ihr Blaulicht. Ein Transporter war gekommen, um die Leiche in einer Zinkwanne in die Gerichtsmedizin von Kristianstad zu fahren. Nichts würde hier mehr geschehen, heute Abend. Auch Bertil würde, das war klar, nicht auf seinem Hof bleiben, sondern zurück nach Malmö fahren oder vielleicht beim Bauern übernachten. Ronny ging zu seinem alten Toyota, hob leicht die Hand zu einem Gruß in die Runde, obwohl niemand auf ihn schaute, und fuhr davon, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Er hatte Osby schon fast erreicht, als ihm aufging, was ihn die ganze Zeit über so unruhig gemacht hatte: Er hatte die Schuhe schon einmal gesehen, er hatte diese Schuhwichse schon einmal wahrgenommen. Vor ein paar Tagen hatte er mit einer Tasse Kaffee in einem
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