Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stierkampf

Der Stierkampf

Titel: Der Stierkampf
Autoren: Yasushi Inoue
Vom Netzwerk:
Band 273 der Bibliothek Suhrkamp

    Yasushi Inoue
    Der Stierkampf

    Suhrkamp Verlag

    Aus dem Japanischen von Oskar Benl

    Erste Auflage 1997
Alle Rechte vorbehalten. © der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag
Frankfurt am Main 1997
Die Originalausgabe erschien 1949
© Yasushi Inoue 1949
Druck: Poeschel & Schulz-Schomburgk, Eschwege
Printed in Germany

    Der Stierkampf

    In der zweiten Hälfe Dezember gab die NeueOsaka-Abendzeitung jeden Tag mit großen Lettern bekannt, daß vom zwanzigsten Januar des kommenden Jahres an drei volle Tage lang im Hanshin-Stadion Stierkämpfe veranstaltet werden sollten. Als die ersten Korrekturfahnen mit dieser Anzeige aus der Setzerei kamen, steckte sich Chefredakteur Tsugami ein Exemplar in die Tasche und ging mit Tashiro, den er in dem kalten Empfangsraum hatte warten lassen, auf die nachmittägliche Straße hinaus. Es war seit einigen Tagen ziemlich kalt geworden, und ein frostiger Dezemberwind wirbelte unruhig Staub auf. »Oh, fertig?«
    Mit diesen Worten nahm Tashiro den Korrekturabzug entgegen. Sein Gesicht belebte sich für einen Augenblick, aber es wurde gleich wieder ernst, und er sagte:
    »Von jetzt ab gilt es also, die Reklametrommel zu rühren! Wir müssen mit aller Kraf den Erfolg herbeizwingen!«
    Schnell dahingehend, faltete er den im Wind hin und her flatternden Korrekturabzug doppelt zusammen, stopfe ihn achtlos in die Tasche und fuhr fort:
    »Da ist übrigens noch etwas, was ich gern mit Ihnen beredet hätte …«
    Müdigkeit kannte Tashiro offenbar nicht. War eine Arbeit beendet, so wandte er sich ungesäumt der nächsten, einem neuen Ziel, zu. Es hatte, bis diese Ankündigung des Stierkampfes heute erschien, ungeheurer Anstrengungen bedurf, doch ihm war nicht die geringste Erschöpfung anzumerken.
    »Ich möchte Sie etwas fragen! Hätten Sie nicht Lust, all die Stiere aufzukaufen, die Sie da nächstens miteinander kämpfen lassen? Einer kostet fünfzigtausend Yen. Bei zweiundzwanzig sind das eine Million einhunderttausend. Das ist spottbillig! Wenn Ihre Zeitung sie kauf, wäre das die einfachste Lösung; und ich bin überzeugt, daß die Stierzucht-Vereinigung der Stadt W damit einverstanden ist!« Tashiro redete so hitzig auf ihn ein, als sei er aus dem fernen Shikoku eigens zu diesem Zwecke hergefahren. Man könne ja, meinte er, die zweiundzwanzig Stiere auch gleich wieder loswerden, Falls es einem nichts ausmache, das Geld noch eine Weile nicht zu nutzen, ließe sich der Kauf eine Weile hinauszögern, weil dann die Eigentümer vielleicht noch billiger verkaufen. Es wäre jedenfalls unsinnig, die zweiundzwanzig Stiere, die man den weiten Weg von Shikoku bis hierher transportiert habe, mühselig wieder zurückzuschaffen, weil die Stierkämpfe vorüber seien. Man brauche die für  00 000 Yen erworbenen Stiere nur nach Osaka oder Kobe weiterzuveräußern, so ließen sich ohne weiteres ,5 oder ,6 Millionen Yen herausschlagen. Es sei zwar ein bißchen lästig, aber man könne, falls man die Tiere schlachte und zu Fleisch verarbeite, grob gerechnet mit Sicherheit einen Gesamterlös von zwei Millionen erwarten.
    So schwatzte Tashiro; sein breitschultriger, kräftiger und mittelgroßer Körper war in einen schwarzen Ledermantel gehüllt, in der Hand hatte er eine Boston-Reisetasche aus etwas ältlich aussehendem, aber hartem und neuerdings als Kostbarkeit geltendem Krokodilleder. Sie gingen beide auf der wenig belebten, zur Midorisuji führenden Straße dahin, die ein von Brandbomben völlig zerstörtes Stadtviertel durchquerte. Da der entgegenwehende Wind ihm das Sprechen sehr erschwerte, war Tashiro ein wenig irritiert, blieb hin und wieder stehen und sah zu Tsugami auf, der größer war als er.
    »Hm …«, murmelte Tsugami und nickte, aber er verspürte nicht die mindeste Lust, auf diese Frage einzugehen. Für eine Zeitung mit einem Gründungskapital von 19 500 Yen war die Veranstaltung eines solchen Stierkampfes allein schon ein gewaltiges Unternehmen, das ihre Kräfe ohne Zweifel weit überstieg und ihre Existenz aufs Spiel setzte. Angesichts der finanziellen Situation des Blattes, das nur sehr mühsam die Veranstaltungskosten aufringen konnte, war dieser Vorschlag, alle Stiere auch noch käuflich zu erwerben, ein verrücktes, ja geradezu schamloses Ansinnen. Seit die Zeitung mit einem Stab gegründet worden war, dem mehrere führende Persönlichkeiten der B-Zeitung, einer der zwei größten des Landes, angehörten, war ein Jahr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher