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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod
Autoren: Volker Kutscher
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Marquard senior hat Doktor Schlüter Herzversagen festgestellt, kein Mensch hat sein Blut untersucht.«
    »Aber bei Doktor Schlüter wurde eine Blutprobe genommen ... «
    »Schlüter litt an Altersdiabetes und nahm in geringen Mengen Insulin, deswegen hat man das gemacht. Ein naheliegender Verdacht. Aber kein Mensch konnte sich erklären, warum der erfahrene Mediziner sich in der Menge so verschätzt hat.«
    »Hat er wahrscheinlich auch nicht.«
    »Nein«, sagte Lange. »Wahrscheinlich nicht. Wir können zwar nach all den Jahren nichts mehr nachweisen, aber wir glauben, diese beiden Toten, das waren Marquards erste Morde mit Insulin!«
    Rath schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Die Mutter war's. Elisabeth Marquard hat die beiden umgebracht, ihren Mann und den Hausarzt! Ihr Sohn hat das herausgefunden und sie eingesperrt.«
    »Warum?«
    »Damit wir sie nicht einsperren. Oder in eine Anstalt einliefern. Sie ist verrückt, sie hätte sich früher oder später wahrscheinlich verraten. Zumindest hat er das befürchtet und sie weggesperrt.«
    »Und wieso hat er ihr die Stimmbänder genommen?«
    »Keine Ahnung.« Rath zuckte die Achseln. »Er scheint ziemlich empfindlich zu sein, was Stimmen angeht.«
    »In dieser Familie ist nicht nur die Mutter verrückt«, meinte Czerwinski. »Marquard junior ist auch nicht ganz dicht, so viel steht fest. Hat einen regelrechten Schrein in seinem Turmzimmer. Mit Fotos und Plakaten von all den Frauen, die er umgebracht hat. Oder umbringen wollte.«
    »Ich weiß«, sagte Rath. »Er hat es mir gezeigt.«

Kapitel 62
    Ihr Name! Sie haben ihren Namen gerufen, er hat es gehört. Obwohl sie die Tür gleich hinter ihm geschlossen haben.
    Betty Winter!
    Er fasst sich an den Kopf und lässt sich auf den Stuhl sinken, der direkt neben der Tür steht. Er stützt den Kopf in die Hände und schließt die Augen, zieht seinen Wachmann dabei fast zu Boden.
    »Schnell, Lensing, ruf den Doktor«, sagt der Uniformierte, der ihn immer so hart am Arm fasst, als würden Handschellen allein nicht ausreichen. Der Mann hockt sich neben ihn, während der Kollege zum Telefon geht; die Handschellen, mit denen sie aneinandergekettet sind, lassen ihm gar keine andere Wahl.
    Die Polizisten da drinnen reden laut, er kann fast alles verstehen.
    Er hat die Augen geschlossen und konzentriert sich auf jedes einzelne Wort.
    Soll es so laufen wie bei Betty Winter?, hat der bullige Polizist gerufen und der Dicke hat irgendetwas geantwortet.
    Jetzt redet wieder der Bullige. Victor Meisner ist dank Rath doch vorgewarnt, hört er ihn schimpfen, der wird gar nichts mehr gestehen! Wie der heute Morgen am Grab seiner Frau den trauernden Witwer gemimt hat ... Ekelhaft! Als wüsste er genau, dass wir ihm den Mord an seiner Frau nicht nachweisen können. Soll es Rath bei Marquard noch einmal genauso vermasseln?
    Der Dicke antwortet etwas, das er wieder nicht versteht, aber das ist jetzt auch egal.
    Er hat genug gehört.
    Er weiß jetzt, dass er noch etwas zu tun hat, und schlägt die Augen auf.
    Er ist schon tot, und sie haben es noch nicht gemerkt. Und ein anderer Mann in dieser Stadt ist ebenfalls schon tot und weiß es nicht.
    Er richtet sich wieder auf.
    »Dem geht's ja schon wieder besser, soll ich immer noch den Doktor holen?«
    »Du hast recht, wir wolln's mal nicht übertreiben. In 'ner Viertelstunde sind wir in Moabit, da wird er sowieso wieder untersucht.«

Kapitel 63
    Unsere Zeit ist so schnelllebig, daß auch die Schrecken jener Düsseldorfer Mord-Periode in der Erinnerung zum Teil bereits verblaßt sind. Und doch war es damals eine Art von Kriegszustand: der Kampf einer ganzen Bevölkerung gegen Bestien in Menschengestalt, die bald hier, bald dort ihr Opfer suchten ...
    Rath hatte gerade angefangen, in der neuen Ausgabe der Monatshefte zu blättern und Gennats Artikel zu lesen, da störte ihn Schwester Angelika mit Geschirrgeklapper.
    »Abendessen«, jodelte sie. »Aber vorher nehmen wir noch einmal Blut ab.« Sie stellte das Tablett ab und tastete auch schon nach seiner Vene.
    »Mittlerweile glaube ich, Sie sind ein Vampir«, sagte Rath und lächelte grimmig.
    Ihre Antwort war die Nadel, die sie ihm unsanft in den Arm schob. Die Antwort schien Ja zu lauten.
    Nachdem sie ihn angezapft hatte, brachte sie seinen Oberkörper in die Senkrechte und servierte das Essen. Huhn mit Reis. Die Schwester wünschte guten Appetit und ließ ihn allein. Es schmeckte gar nicht mal schlecht.
    Noch vor dem Nachtisch erschien
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