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Der stille Schrei

Der stille Schrei

Titel: Der stille Schrei
Autoren: Leon Specht
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weggedacht? Ja, mit jetzt aktuell 52 Kilogramm und meinem straffen Körper war ich wieder sehr attraktiv, wie zehn Jahre zuvor.
    „Das ist sehr lieb von Ihnen, wird aber nicht nötig sein. Mein Lauftrainer wird mich begleiten.“
    „Tim?“, riet er aufs Geratewohl.
    Mein Erstaunen wurde mit jedem Ereignis rund um Tim größer. Der Landrat. Ein Arzt im Krankenhaus. War er so populär?
    „Sie kennen ihn?“
    „Ich habe einfach nur geraten. Aber er hat hier schon für Patienten im Klinikum einige Veranstaltungen organisiert und einen viel beachteten Vortrag bei einer Ärztetagung gehalten. Wie war noch der Titel? Ach ja: Lauf dich gesund.“
    Stimmte. Ich spürte es.
    Weil ich schwieg, sprach er einfach weiter. „Ja, Tim ist ein sehr guter Coach. Er trainierte übrigens auch Irina Mikitenko.“
    Es machte plopp in meinem Kopf.
    „Unsere Marathon-Läuferin aus Gelnhausen? Die schon zweimal den London Marathon gewonnen hat?“
    „Ja, wie ich schon sagte. Tim ist sehr gut.“
    Plötzlich hatte ich einen Einfall.
    „Kennen Sie einen Dr. Bring?“
    „Den Psychiater aus Frankfurt?“
    „Ja.“
    „Der weiseste Mensch, der mir je begegnet ist.“
    Allmählich wurde mir einiges klarer.

TESTAMENT
    Karl traf ich zu Hause an .  Schließlich war Samstag. Er saß in seinem Arbeitszimmer und wühlte sich durch Papierberge. Schon an der Tür hörte ich ihn schnaufen. Aktenarbeit war sein Ding nicht. Lieber turnte er draußen auf seinen verschiedenen Baustellen herum.
    Er würde sich jetzt, hier und heute, mit weiteren Akten herumzuschlagen haben. Ich fühlte mich sehr sicher.
    „Karl, wir müssen reden.“
    „Keine Zeit.“ Er drehte mir den Rücken zu.
    „Du rufst jetzt Dr. Nolte an, unseren Notar.“
    Nun drehte er sich doch um. Seine Augen glitzerten gefährlich. Beide. Sie machten mir aber keine Angst mehr.
    „Also los!“ Sein üblicher Ton.
    „Und wenn nicht?“
    „Du kannst dir denken, wo ich war. Jedenfalls nicht in Bad Orb. Ich rate dir, vernünftig zu bleiben. Sonst wird dein weiteres Leben hinter Gittern stattfinden. Ich will nichts Ungebührliches. Nur ein wenig Schmerzensgeld.“
    In geschäftlichen Dingen war er schlau und schnell. Er reagierte sofort. „Wie sehen deine Forderungen aus?“ Selbstbewusst und kühl kalkulierend vorgetragen. Nun erlebte ich meinen Karl als Geschäftsmann und wusste, warum er so erfolgreich war.
    „Eine schicke Eigentumswohnung, schöner und wertvoller als die deiner Mätresse, eine Barzahlung auf ein Konto, sagen wir eine Million Euro und eine Absicherung, dass ich deine Alleinerbin bin.“
    Da ich unsere Vermögensverhältnisse annähernd kannte, wusste ich, dass ich nicht viel verlangte. Als Geschäftsmann war Karl enorm erfolgreich. Die Grundlage für sein Jossgrund-Imperium hatte er schon in der Schule gelegt. Er handelte mit allem: Pausenbroten, Kakao, Schokoladenriegel. Sobald er einiges an Geld eingenommen hatte, skalierte er sein Geschäftsmodell und nahm sich die Transaktionen vor, die mehr Marge abwarfen. Spiele. Schallplatten. Dann Zigaretten. Mofas. Schließlich Autos. Spezielle Autos. Heute umfasste seine Firma ein weltumspannendes Netzwerk, das ihm ohne sein Zutun immer wieder viel Geld in die Kassen spülte. Er investierte sehr geschickt: Immobilien, Sachwerte, Grundstücke, Unternehmen.
    Die zwei Millionen für Cash und Immo konnte er locker aus der Portokasse zahlen. Die Alleinerbin sollte ihn eigentlich nicht stören. Wir hatten keine Kinder, und er hatte keine Verpflichtungen anderen Menschen gegenüber. Seine Geliebte war versorgt.
    Aber da war sein Misstrauen. Ich könnte ihn ja frühzeitig um die Ecke bringen. Das würde ihm natürlich nicht gefallen.
    „Der Preis, den ich zahle, ist folgender. Ich bin weiterhin dein Eheweib und deine Repräsentationsfigur. So lange, wie du willst. Du verpflichtest dich, das Testament nicht zu ändern. Wenn du meiner überdrüssig geworden bist, ziehe ich in meine Eigentumswohnung. Bis dahin wird sie vermietet. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Aber: Du schlägst mich nie wieder.“
    Böse funkelte er mich an.
    „50 Prozent.“
    Worauf bezog er diese Zahl? Ich runzelte meine Stirn. Aua. Die Platzwunde am Hinterkopf.
    „Nicht Alleinerbin. 50 Prozent.“ Er wollte einfach handeln.
    „Wenn du tot bist, ist es doch egal.“
    „Nein. Ich will der Nachwelt in guter Erinnerung bleiben. Die anderen 50 Prozent gehen in eine Stiftung.“
    Schlau. Interessant. Sich in dieser Welt ein Denkmal setzen. Karl der Große im
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