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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler
Autoren: Becky Masterman
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Koffer und zwei Leichensäcke aus dem Van, dazu lange Seile, um die Tote aus dem Arroyo zu bergen. Wir anderen blickten angespannt zu ihnen hinunter und warteten. Lynch erzählte Coleman unterdessen von einem achtarmigen Riesenkaktus und einem Felsvorsprung, an denen er sich orientiert habe, um diese Stelle wiederzufinden.
    Max stellte Sigmund und mich dem US Marshal Axel Phillips vor, einem Burschen mit Cowboystiefeln und Schrotflinte. Phillips grüßte höflich, ohne uns die Hand zu geben. Man konnte sehen, dass er sich ganz auf Lynch und seinen Job konzentrierte. Als die Techniker mit ihrer Ausrüstung zu uns kamen, erkannte ich einen älteren Mann wieder, den ich früher schon mal bei einem Fall gesehen hatte. Er hieß Benny Cassell und hatte einen Assistenten namens Ray bei sich. Wir bekamen grünes Licht, in den Arroyo hinunterzusteigen.
    Der Weg war steil. Ich war froh, dass ich meinen Stock dabeihatte. So war ich in der Lage, Max’ dargebotene Hand freundlich, aber entschieden abzulehnen, als ich auf einem Stein ausrutschte.
    Lynch fragte Phillips, ob der ihm die Handschellen abnehmen könne. Der Marshal schüttelte nur den Kopf und hob die Schrotflinte drohend ein Stück höher. Ich war sicher, er würde Lynch über den Haufen schießen, sollte es erforderlich werden. Beinahe hoffte ich, dass sich ein Schuss löste und den Hurensohn in die Hölle beförderte.
    Max ging als Erster, gefolgt von Lynch, der wild mit den Ellbogen ruderte, um das Gleichgewicht zu halten. Als Dritter kam Marshal Phillips, gefolgt von Benny und Ray. Dann kamen Laura Coleman und ich, alle mehr oder weniger in einer Linie. Sigmund bildete den Schluss, als wollte er uns alle zugleich im Auge behalten.
    Schließlich erreichten wir das geheimnisvolle Wrack des Wagens, der vor mindestens dreißig Jahren über die Klippe gerauscht war. Phillips erzählte die gleiche Geschichte wie Max – dass er schon lange von dem Wrack gewusst habe. Jeder, der in dieser Gegend aufgewachsen und mehr als einmal hier oben gewesen sei, wisse davon, sagte er.
    »Seltsam«, murmelte der Marshal dann und ließ den Blick in die Runde schweifen.
    »Was ist seltsam?«, fragte ich.
    »Früher war das hier eine einzige Müllkippe von dem vielen Abfall, den wir hier zurückgelassen haben. Sieht aus, als hätte jemand aufgeräumt.«
    Ich betrachtete das, was von dem Wagen übrig war. Es war ein Dodge Dart aus den 1970ern. Der Lack war längst verschwunden, von Sandstürmen abgeschmirgelt und von der Sonne verbrannt. Ich sagte mir immer wieder: Egal, was wir in dem Wagen finden, es ist ein Beweisstück, bloß ein Beweisstück, während ein anderer Teil meines Verstandes flüsterte: All die Jahre hast du nach ihr gesucht, und hier liegt sie.
    Selbst aus der Nähe war wegen der Staubschicht auf den Scheiben nicht viel zu erkennen. Benny zog eine Digitalkamera aus seiner Tasche und machte Aufnahmen aus jedem Winkel. Dann zogen er und Ray Latexhandschuhe über, warteten auf ein Nicken von Laura Coleman und versuchten, die Fahrertür zu öffnen.
    Lynch streckte den rechten Arm aus, wobei er wegen der Handschellen den linken Arm mit nach oben zog wie bei einer Marionette. »Sie ist …«
    »Lassen Sie die Männer ihre Arbeit machen«, unterbrach Coleman ihn schroff.
    Die Tür öffnete sich quietschend ein paar Zentimeter, dann steckte sie fest. Auf Bennys Befehl stieg Ray den Hang hinauf zum Einsatzwagen, leise vor sich hin fluchend, und kam mit einer Dose Rostlöser zurück, während wir anderen warteten und uns ziemlich nutzlos vorkamen.
    Ray sprühte die Scharniere durch die Lücke ein, bewegte die Tür ein wenig hin und her, sprühte noch einmal und ruckelte wieder hin und her. Schließlich öffnete sich die Tür mit lautem Ächzen. Ich konnte spüren, wie alle sich innerlich wappneten und den Atem anhielten in der Erwartung, irgendetwas Grauenerregendes zu sehen oder zu riechen, doch falls jemand den überwältigenden Gestank von Verwesung erwartet hatte, wurde er enttäuscht. Es roch eher wie Großmutters Hausmantel, der nach ihrem Tod ungewaschen weggepackt worden war. Nicht unangenehm, aber eindeutig nach Mensch.
    Die Vorderbank – ungeteilt und von der alten Sorte, bevor Einzelsitze und eine Schaltkonsole in der Mitte aufgekommen waren – lag unter Müll begraben. Alte, zerknitterte Zeitungen, Lumpen und jede Menge Bierdosen, die der Szene etwas Beunruhigendes verliehen. Benny schoss weitere Fotos.
    »Jetzt wissen wir, wohin der ganze Müll verschwunden ist«,
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