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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler
Autoren: Becky Masterman
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ein Liter Alkohol direkt ins Gehirn ausreichen, um ihn zu erledigen, und mir zugleich mehr als genug Zeit verschaffen, aus dem Krankenhaus zu verschwinden. Wie bist du dahintergekommen?«
    Ich erzählte, wie ich ihn als Krankenschwester mit dem halb leeren IV -Beutel gesehen und wie Lynch sich beschwert hatte, dass sein Handrücken brannte, doch Emery hörte nicht richtig zu. Seine Augen wanderten zu der primitiven Sprengvorrichtung in seiner Hand, und ich konnte ihm ansehen, wie er sich die Reihenfolge vorstellte, in der er alles zündete, bevor er floh. Er stand nicht weit von mir weg. Ich hatte jetzt die Hand am Saum meiner Bluse, über dem Messer, während ich mich vorsichtig auf ein Bein stemmte. Ich hielt meine Unterleibsmuskeln auf Spannung und mein Kreuz so steif wie möglich, als ich mich auf den Schmerz vorbereitete, wenn ich Emery ansprang und unsere einzige und letzte Chance zum Überleben nutzte. Er musste nur noch ein ganz klein wenig näher kommen …
    Stattdessen wich er zurück.
    »Brigid Quinn«, sagte er. »Mir ist nicht entgangen, dass du dir das Messer vom Schreibtisch geschnappt hast. Glaubst du allen Ernstes, ich würde dich damit nahe genug an mich heranlassen?«
    Wir schwiegen beide. Er stand zwei Meter von mir entfernt und war bereit, sich jederzeit durch einen Sprung in Sicherheit zu bringen. Ich hielt mich mühsam auf den Knien. Ich hatte meine letzte Chance vertan und blickte dem Tod ins Auge, als ich von dem leisen, charakteristischen Geräusch abgelenkt wurde, das beim Repetieren einer Schrotflinte entsteht.
    Tscha-tschin.
    Es kam aus der Richtung des Durchgangs zwischen Küche und Bar. Emery stand mit dem Rücken zu dieser Tür, und aus meiner Position am Boden konnte ich nur die Flinte in Laura Colemans Händen erkennen, nicht jedoch Coleman selbst.
    »Nicht!«, rief ich, weil ich selbst in jenem Augenblick wusste, welche Konsequenzen das nach sich ziehen würde. Emery warf sich herum, schaffte es aber nur zur Hälfte, bevor die Flinte krachte. Ein Ausdruck des Erstaunens legte sich auf seine Züge, ehe Fetzen seiner Bauchdecke auf mich niederprasselten.
    Emery war ein großer Mann. Er fiel nicht sofort. Er starrte mich an. Dann sah er an sich hinab auf seinen Bauch, aus dem das Blut hervorschoss. Er war sogar noch imstande, einen Schritt zu machen und die Hand nach mir auszustrecken, bevor er auf die Knie sank und vornüberkippte, das Gesicht halb in meine Richtung gedreht.
    Um ganz sicherzugehen, ließ ich mich ebenfalls nach vorn sinken, sodass mein Gesicht keine zwanzig Zentimeter von Emerys entfernt war. Ich sah, dass er noch lebte.
    Ich sah auch, dass das Kopfstück der Pfeife aus seinem Mund ragte. Er schien auf die Pfeife gefallen zu sein und sich das Mundstück in die Kehle gerammt zu haben. Emery hustete Blut, und ich brachte mich in Deckung, bevor die Spritzer mich erreichten. Er versuchte zu atmen, als wollte er noch etwas sagen, doch die Schrotladung hatte wohl auch den unteren Teil seiner Lungen zerstört.
    »Verdammt, Emery, ich wünschte, ich hätte es selbst tun können«, flüsterte ich und starrte in sein linkes Auge, das er mir zuwandte.
    Blut sprudelte schäumend aus seinem Mund. Seine Finger kratzten über das Linoleum, doch ich sah, wie das Bewusstsein in dem einen Auge langsam erlosch. Ich wünschte mir ein Jenseits, in dem ich ihn bis in alle Ewigkeit umbringen konnte.
    Dann war er tot. Ich erhob mich langsam und blickte über Emerys massigen Leichnam hinweg zur Tür. Coleman lag hinter ihm auf dem Rücken, die Arme steif, sodass die Flinte parallel zu ihrem Körper ausgerichtet war und immer noch in meine Richtung zielte. Ich ließ mich wieder auf den Rücken sinken, und nun starrten wir beide auf die Fluoreszenzlampen an der Decke.
    »Laura!«, schrie ich Coleman an. »Verdammte Idiotin! Mussten Sie ihn in den Rücken schießen, als er unbewaffnet war?«
    Coleman hatte sich das Klebeband vom Mund gerissen, bevor sie in die Küche gekommen war. Nun lag sie da und stammelte: »Stirb, du Arschloch, du verdammtes dreckiges Arschloch …«
    Ich weiß nicht, wie lange sie noch so weitergemacht hätte. »Laura«, flüsterte ich, während ich sehnlichst hoffte, dass sie in ihrer Hysterie nicht eine weitere Patrone in die Kammer lud und abdrückte. »Er ist tot. Er kann Sie nicht mehr hören.«
    Sie verstummte, schluchzte leise in sich hinein. Doch sie schien nicht die Absicht zu haben, die Waffe zu senken.
    »Könnten Sie mit diesem Ding vielleicht in eine andere
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