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Der steinerne Kreis

Der steinerne Kreis

Titel: Der steinerne Kreis
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Sie!«, schrie sie.
    Die Hexer sahen sie an. Ihre Mutter hatte sich nicht von der Stelle gerührt. »Ich will jetzt alles wissen!«, tobte Diane. »Das seid ihr mir schuldig!«
    Sybille betrachtete ihre Tochter. »Was willst du denn noch wissen?«, fragte sie.
    Diane zwang sich ein letztes Mal, sich auf die Aufeinanderfolge der Ereignisse zu konzentrieren: Es war die einzige Möglichkeit, nicht wahnsinnig zu werden. Schließlich brachte sie heraus: »Als die Lüü-Si-An in Europa angekommen waren, lief doch nichts mehr wie geplant!«
    Ihre Mutter begann zu lachen. »Das kann man wohl sagen.«
    »Thomas hat versucht, deinen Lüü-Si-An zu vernichten und dich damit von dem Wettkampf fernzuhalten.«
    »Thomas war ein Feigling. Nur seine Feigheit kann einen derartigen Regelverstoß erklären. Er wollte den Kreis aufbrechen.«
    »Nach dem Unfall, als dir klar war, dass keine Chance mehr bestand, Lucien zu retten, hast du van Kaen gerufen. Du hast dich telepathisch mit ihm in Verbindung gesetzt: Deswegen hat man nie einen Anruf zurückverfolgen können.«
    »Das ist das Mindeste, was ich tun konnte.«
    »Aber dann trat Talich auf den Plan«, fuhr Diane fort. »Er beschloss, euch zu beseitigen, einen nach dem anderen …«
    Sybilles Stimme bebte vor Zorn. »Talich hat uns immer manipuliert, vom ersten Tag an. Er wusste, dass wir die anderen Schamanen töten würden. Er wusste, dass die einzige Chance, sein Volk zu retten, unsere Initiation war. Wir wurden die Gefäße der tsewenischen Magie. Talich brauchte nur noch auf den Tag des heiligen Kampfes zu warten, um uns zu besiegen und sich die Kräfte zurückzuholen.«
    Auf sich selbst konzentriert, empfand Diane eine intensive Befriedigung: Endlich hatte sie Talichs Motiv, den Beweggrund des Mannes, der sein Volk retten wollte. Und doch störte sie etwas.
    »Eines passt nicht«, sagte sie. »Talich hat den Kampf nicht abgewartet, sondern van Kaen und Thomas in Paris getötet und Jochum in Ulan Bator. Warum?«
    Ein kurzes Schweigen trat ein, dann murmelte ihre Mutter: »Die Antwort liegt doch auf der Hand! Es war nicht Talich, der die Schamanen getötet hat.«
    »Sondern?«
    »Ich.«
    Diane schrie auf. »Du lügst! Unmöglich kannst du Hugo Jochum umgebracht haben!«
    »Wieso nicht?«
    »Ich war doch dort, ich war im Flur des Klosters. Ich habe den Mörder überrascht, als er aus Jochums Zimmer kam!«
    »Na und?«
    »Ich habe doch kurz vorher mit dir telefoniert, und du warst in Paris!«
    »Wer sagt dir, dass ich in Paris war? Das sind die kleinen Wunder der Technik, meine Liebe. Ich war nur ein paar Meter von dir entfernt, in Jochums Zimmer.«
    Diane stöhnte vor Entsetzen. Die atemlose Stimme ihrer Mutter. Der Verkehrslärm, seltsam übereinstimmend mit den Geräuschen von Ulan Bator: Es waren dieselben Autos. Und dann dieses dumpfe Gefühl auf dem Dach, dass sie dieselbe Szene schon einmal erlebt hatte – mit gutem Grund: Sechzehn Jahre später hatte dieselbe Frau sie noch einmal angegriffen. Tonlos fragte sie: »Hast … hast du auch Langlois umgebracht?«
    »Er hatte die Existenz der Wächter von Thomas und van Kaen herausgefunden. Er hatte in Thomas’ Vergangenheit gegraben und unter seinen einstigen Studenten eine ›Sybille Thiberge‹ gefunden. Er bestellte mich sofort ins Präsidium. Dort, in seinem Büro, habe ich ihm die Kehle durchgeschnitten und seine Akte mitgenommen.«
    »Aber … Und die Kräfte? Nachdem du die anderen einfach umgebracht hattest, konntest du dir doch nicht mehr ihre …«
    »Was kümmern mich ihre Kräfte? Meine hellseherische Begabung genügt mir. Ich will am Leben bleiben und die anderen tot wissen. Das ist alles. Heute sind wir nur noch zu dritt im steinernen Kreis – und die Taiga wird entscheiden, wer der Sieger ist.«
    »Es ist Zeit.«
    Mawriski öffnete die kupferne Tür. Ein Lichtschimmer fiel die Treppe herab: Draußen war es Tag geworden.
    »Und Talich, wo ist er?«, rief Diane.
    »Talich ist tot.«
    »Seit wann?«
    »Talich hatte dieselbe Idee wie Thomas, aber schon früher. Von allen Gegnern des Konzils fürchtete er in Wahrheit nur eine Person: mich. Er wollte mich aus dem Kreis beseitigen, vom Kampf ausschließen. Er versuchte mich zu überrumpeln, im August, in der Nähe unseres Hauses im Luberon. Ich spürte seine Anwesenheit, noch bevor er da war. Ich konnte in seinem Geist lesen wie in einem offenen Buch. Und ich wandte meine Geheimwaffe an.« Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. »Du weißt, wovon ich rede
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