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Der Stein - Hohler, F: Stein

Der Stein - Hohler, F: Stein

Titel: Der Stein - Hohler, F: Stein
Autoren: Franz Hohler
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erste Exportproblem«, sagte der Präsident, »die kleine Katze sollte ins Vorzimmer, Lösungsvorschläge sind willkommen.«
    »Mach ich«, sagte der Departementschef, legte seinen Ordner auf das Pult, ging langsam zum Vorhang hinüber, nahm die Kordel und ließ sie über dem Kätzchen hin und her pendeln.
    Tatsächlich folgte die junge Katze mit dem Blick gespannt den Bewegungen, und sowie sie sich auf die Hinterpfoten stellte, um nach der Quaste zu greifen, packte er sie am Nacken und trug sie trotz ihres empörten Zappelns und Miauens ins Vorzimmer, gefolgt von Frau Ehrismann, welche die Tür hinter sich zuzog.
    Als der Departementschef nach ein paar Minuten das Präsidialzimmer wieder betrat, hatte er ein dickes Pflaster auf dem linken Handrücken.
    »Oh«, sagte der Präsident, »ein leidenschaftliches Tierchen. «

    »Kann man sagen«, antwortete der Departementschef säuerlich und begann dann mit dem Briefing.
    Bald traten die vier Herren von der Rüstungsindustrie ein. Man nahm auf der Sitzgruppe Platz, der Präsident erläuterte ihnen, weshalb Pakistan als Exportland nicht mehr in Frage kommen dürfte, der CEO der größten Waffenschmiede betonte, es handle sich nur um Luftabwehrsysteme, die ja wohl kaum gegen die Taliban eingesetzt werden könnten, worauf der Departementschef eine vertrauliche amerikanische Information bekannt gab, aus der hervorging, dass die Taliban schon seit einiger Zeit Flugzeuge gegen afghanische Stellungen einsetzten.
    An dieser Stelle hüpfte die kleine Katze, die sich offenbar mit der Delegation eingeschlichen hatte, dem Präsidenten auf die Knie. Die Herren von der Rüstung waren perplex.
    »Ihr neues Haustier?«, fragte der CEO schließlich, halb im Scherz.
    »Ja«, sagte der Präsident und kraulte der Katze den Kopf, »ist sie nicht hübsch?«
    »Und wie heißt sie?« fragte ein Panzerwagenfabrikant.
    »Smeralda«, sagte der Präsident zu seiner eigenen Überraschung. Die Katze schnurrte leise.
    Der Departementschef funktionierte sein Prusten in ein Husten um, das er mit seiner gepflasterten Hand abdeckte.
    Von dem Moment an verlief die Sitzung jedoch bedeutend
entspannter, was ihre Ergebnislosigkeit erträglicher machte. Nachdem sich die Delegation verabschiedet hatte und der CEO dabei auch Smeralda übers Köpfchen gefahren war, teilte der Präsident seiner Sekretärin mit, er behalte das Kätzchen vorderhand bei sich und ob sie ein gepolstertes Körbchen sowie etwas Katzenstreue besorgen könne.
    Die Nachricht, der Präsident habe in seinem Büro ein Haustier, sprach sich in seinem Departement so schnell herum, dass bereits die Abteilungsleiterin der Suchtprävention zur Sitzung eine Dose Gourmetkatzenfutter mit Thunfisch mitbrachte.
    Smeralda verhielt sich manierlich, sah zwar nach einem kurzen Beschnuppern des Körbchens, das ihr Frau Ehrismann hingestellt hatte, davon ab, dieses in Anspruch zu nehmen, benutzte aber sofort die in einer Ecke auf einer Tageszeitung aufgehäufte Katzenstreue. Danach strich sie dem Präsidenten schnurrend um die Beine.
    Dieser merkte, dass ihn die Gegenwart des Kätzchens eigenartig beschwingte. Keine Besprechung konnte beginnen, bevor Smeralda nicht erstaunt und belustigt zur Kenntnis genommen worden war. Sie wusste sich stets unwiderstehlich in Szene zu setzen, sei es, dass sie auf das Pult des Präsidenten oder auf das Tischchen der Sitzgruppe sprang, immer so, als wolle sie die jeweiligen Besucher begrüßen.
    Bevor der Präsident gegen Mittag sein Büro verließ, öffnete er eigenhändig die Dose mit dem Katzenfutter, drückte dessen Inhalt auf seine Kaffeeuntertasse und
kratzte die Reste mit einem Teelöffel aus. Er orderte bei Frau Ehrismann noch ein Fresströglein, und Smeralda schaute nur kurz zu ihm auf, als er ihr sagte, er sei über Mittag weg und komme nachher wieder.
    Das Mittagessen mit dem schwedischen Botschafter verlief zur Zufriedenheit, doch nach der Verabschiedung nahm ihn der Protokollchef zur Seite und fragte ihn, was es mit dieser jungen Katze in seinem Büro auf sich habe. Die Antwort des Präsidenten, das sei sein neues Haustier, welches ihm bei seinen Amtsgeschäften Gesellschaft leiste, befriedigte den Protokollchef nicht. Sie müssten sich, sagte er, dringend auf eine Sprachregelung einigen, und ob er ihn in seinem Büro noch vor dem Interview mit der Sonntagszeitung kurz aufsuchen dürfe.
    Gut, sagte der Präsident, wenn ihn das so beunruhige, solle er kommen, er verstehe zwar nicht, was da so Besonderes dabei sei.
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