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Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis

Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis

Titel: Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
Autoren: Margaret Weis
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Gegenwart des Prinzen hin und wende ihm niemals den Rücken zu, denn das ist eine schreckliche Beleidigung. Wenn du die Latrinen aufsuchen musst, bitte Seine Hoheit, dich zu entschuldigen. Wenn du ausgepeitscht wirst, schrei laut und weine viel, um Seiner Hoheit deutlich zu machen, wie sehr die Prügel ihn schmerzen.«
    Das taube Gefühl, das Gareth bis hierher geholfen hatte, wich der Verzweiflung. Wären die Götter zu diesem Zeitpunkt irgendwie erreichbar gewesen, dann hätte Gareth gebetet: nicht darum, den Palast verlassen zu dürfen, denn er hatte nicht die Hoffnung, je den Weg nach draußen finden zu können, sondern einfach darum, auf der Stelle zu sterben.
    Er konnte sich keines der Wunder ansehen, die ihn umgaben – wunderbare Spielsachen, die aus allen Teilen Loerems hergebracht worden waren. Er hatte kein Interesse an den Regalen voller Bücher, obwohl er gerne las und sämtliche zwei Bücher seines Vaters immer wieder gelesen hatte – diese Bücher waren seinem Vater geschenkt worden, der sie aber nie in die Hand genommen hatte. Gareth bemerkte Seine Hoheit nicht einmal, denn in seinen Augen standen Tränen, und er konnte nur neben dem Kämmerer herstolpern und versuchen, nicht über das Durcheinander auf dem Boden zu fallen.
    Die Hand des Kämmerers drückte ihn nieder.
    »Seine Königliche Hoheit Dagnarus, Prinz von Vinnengael.«
    Gareth erinnerte sich rechtzeitig genug an die Belehrungen seines Vaters, um auf die Knie zu sinken. Er bemerkte vage, dass jemand auf ihn zukam, um ihn anzusehen, wie man ein Schwein auf einem Markt in Augenschein nimmt.
    »Lass uns allein«, sagte eine Stimme, schon zu der Zeit herrisch.
    Gareth nahm selbstverständlich an, dass der Prinz ihn angesprochen hatte. Er war nur zu froh, gehorchen zu können. Er sprang auf die Beine und wollte sich davonmachen. Eine Hand – seine Hand, die des Prinzen – packte ihn jedoch am Ärmel und hielt ihn fest.
    »Ich sagte, lass uns allein«, wiederholte der Prinz, und Gareth begriff, dass er mit dem Kämmerer gesprochen hatte.
    »Aber Euer Hoheit, Ihr wisst nichts über diesen Jungen … «
    »Willst du mich dazu zwingen, dir einen Befehl dreimal zu geben?«, fragte der Prinz mit einer Schärfe, die Gareth beben ließ.
    »Wie Euer Hoheit befehlen«, antwortete der Kämmerer, verbeugte sich sehr tief und verließ das Zimmer rückwärts gehend – keine einfache Sache, wenn man bedachte, dass der Boden mit Schaukelpferden und Spielzeugschiffen und kleinen Kampfwagen und Speeren und Schilden in Kindergröße übersät war.
    Er schloss die Tür, und Gareth war allein mit seinem Prinzen.
    Er blinzelte die Tränen weg, er sah ihn, und von diesem Augenblick an fürchtete er ihn.
    Die beiden Jungen waren damals gleich groß, obwohl Dagnarus als Erwachsener größer sein sollte. Er war grobknochig, Gareth schlanker, und daher kam der Prinz dem Prügelknaben größer vor. Das rötlich braune Haar des Prinzen – von der Farbe des Zuckerahorns im Herbst – war dicht und schwer und nach der Mode der Zeit kurz geschnitten. Seine Haut war blass, und ein paar Sommersprossen auf dem Nasenrücken stellten den einzigen Makel auf einem ansonsten makellosen Teint dar.
    Er hatte grüne Augen mit goldenen Flecken darin, große, schimmernde Augen, gerahmt von rötlichen Wimpern, die aussahen wie vergoldet. Seine Hose und Weste waren grün, was das Rot seines Haars und das Grün seiner Augen noch betonte. Er war gut und kräftig gebaut und hatte – für ein Kind – erstaunlich kräftige Hände.
    Diese grünen Augen erforschten nun Zoll für Zoll den Prügelknaben, inspizierten ihn viel sorgfältiger als die Wachen draußen. Gareth erinnerte sich an alles, was er jetzt
nicht
tun durfte, aber niemand hatte ihm gesagt, wie er sich eigentlich verhalten sollte. Er war unglücklich, unsicher, krank vor Heimweh, überwältigt und gedemütigt, und er duckte sich vor diesem ruhigen, von sich überzeugten, hübschen Jungen, und als er seine Mängel in diesen grünen Augen reflektiert sah, wünschte er sich abermals zu sterben.
    »Wie heißt du, Junge?«, fragte Dagnarus, und obwohl die Stimme immer noch etwas Herrisches hatte, war sie doch nicht unfreundlich.
    Gareth hatten die Tränen die Kehle zugeschnürt.
    »Bist du taub oder stumm, Junge?«, fragte der Prinz. Er war nicht ungeduldig oder sarkastisch, sondern wollte nur etwas wissen.
    Gareth schüttelte den Kopf, und es gelang ihm, seinen Namen herauszuquetschen. Er nahm seinen ganzen verbliebenen Mut
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