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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann
Autoren: Terje Emberland
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weinte nicht nur wegen Kiss. Alles kam zusammen. Ich tadelte mich, weil ich Lennart bei unserem letzten Treffen geschlagen hatte, ich tadelte mich für den Brand in der Dronningens gate und für Elvestads Tod. Ich war für mehr als nur einen der Fäden im mörderischen Netz des Spinnenmanns verantwortlich.
    Und ich selbst war ihm noch nicht entkommen.
    Der Reddalskanal war offenbar der Treffpunkt, den Heydrich und Kiss vorab ausgemacht hatten. Schon in wenigen Minuten könnte ich Gesellschaft bekommen.
     
    Ich hockte gekrümmt im Wageninnern und zerrte Kiss’ Leichnam auf meine Seite. Dann setzte ich mich hinter das Lenkrad und startete den Motor. Ich war gespannt auf die Fortsetzung. Bis jetzt hatte ich meiner Erfahrung vertrauen können. Als kleiner Junge hatte ich öfter auf dem Schoß meines Großvaters sitzen und seinen alten Ford starten dürfen. Den Rest musste ich mir jetzt selbst beibringen. Ich legte einen Gang ein, um mit dem Chrysler die erste eigene Autofahrt meines Lebens zu beginnen.
    Sehr weit sollte ich nicht kommen.
    Bevor ich den Wagen in Bewegung setzen konnte, klopfte jemand an die Seitenscheibe. Erschrocken fuhr ich herum. Draußen stand ein Mann Mitte fünfzig, mit scharf geschnittenen Zügen und dunklem, gewellten Haar. Er trug einen Rollkragenpullover und eine Schiffermütze und richtete einen Revolver auf mich. Ich erkannte ihn aus den Zeitungen. Es war der Schmugglerkönig Alfred Janus.
    Ein paar Schritte hinter ihm stand der Spinnenmann, gekleidet in eine kurze Fliegerjacke. Mit seinem glatten Gesicht und den kalten Raubtieraugen wirkte er völlig unbeteiligt.
    Die Gerüchte, dass er für die Hinrichtung Janus’ gesorgt hätte, trafen offenbar nicht zu. Ganz im Gegenteil: Der Schmuggler hatte anscheinend das Angebot angenommen, in Heydrichs Dienste zu treten. Er war es also, der an der Entführung Bondis beteiligt gewesen war.
    Ich trat aufs Gaspedal. Janus riss die Tür auf, doch ich gab Gas, raste über den Parkplatz und flog über die Felskante.
    Bevor der Wagen in den Abgrund stürzte, ließ ich mich durch die offene Tür hinausfallen. Ich war vollkommen benommen, als ich auf den harten Felsen schlug, doch meine Überlebensinstinkte waren noch immer intakt. Verzweifelt griff ich nach irgendeinem Halt, während ich in einem Schauer kleiner Steinchen nach unten rutschte. Es ging alles so schnell, dass ich überhaupt nicht begriff, was eigentlich geschah. Plötzlich spürte ich einen gewaltigen Ruck durch meinen Körper gehen. Im nächsten Augenblick hing ich mit den Armen an einer Baumwurzel und betrachtete verblüfft meine Füße, die in der losen Luft hoch über dem Kanal hin- und herbaumelten. Dort unten lag der Chrysler mit dem kompletten Vorderteil unter Wasser.
     
    Auftrag ausgeführt
     
    Nach einiger Anstrengung bekam ich schließlich festen Halt in der Felswand. Im selben Moment fiel ein Schuss. Ich spürte den Luftzug, als die Kugel an meinem Kopf vorbeisauste.
    Ich tastete nach der Pistole, die ich Kiss abgenommen hatte. Sie war verschwunden. Offenbar war sie mir aus der Tasche gefallen, als ich den Felshang hinuntergerutscht war.
    Ich kletterte auf die Steinbrücke zu. Mein Körper hatte einiges abbekommen. Am schlimmsten waren die Schmerzen im linken Arm. Ich hoffte verzweifelt, dass er nicht gebrochen war, dass es sich nur um eine Verstauchung handelte und er bald wieder in Ordnung kommen würde.
    Als Nächstes machte mir mein linker Fuß die größte Sorge. Ich konnte ihn zwar belasten, doch das Bein war von der Hüfte abwärts gefühllos.
    Als ich zu einem Felsüberhang kam, regnete ein Schauer kleiner Steine auf mich herab. Ich blickte nach oben. Aufgrund des Felsvorsprungs konnte ich den Mann nicht sehen, der den Steinrutsch ausgelöst hatte, doch ich hörte ihn deutlich. Er war kein erfahrener Kletterer. Ständig verlor er den Halt und ächzte schwer wie ein Blasebalg.
    Der wird mich nie erwischen, dachte ich.
    Im nächsten Augenblick entdeckte ich, dass ich den Überhang unmöglich passieren konnte, ohne den Schwerpunkt des Körpers zu verlagern.
    Ich hätte vor Verzweiflung heulen können.
    Es hätte nur einer Bagatelle bedurft, einer Bewegung, die jeder andere Kletterer spielend leicht ausgeführt hätte. Doch für mich war sie immer noch vollkommen unmöglich.
    »Nun, mach schon!«, stöhnte ich verzweifelt. »Denk nicht nach, tu es einfach!«
    Neben mir hörte ich ein rutschendes Geräusch. Als ich über die Schulter blickte, entdeckte ich Alfred Janus. Ich
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