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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann
Autoren: Terje Emberland
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Doch Kiss hörte sich alles an, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Bondi muss unter der Folter alles verraten haben«, fuhr ich fort. »Nur das kann erklären, wieso Heydrich wusste, dass wir nach Skien wollten. Er schlich sich unbemerkt in Hoyers Hotel und überraschte Elvestad vor der Toilette. Elvestad wurde übermannt und gezwungen, eine Zyankalikapsel zu zerbeißen. Dann schleppte Heydrich den Leichnam auf die Toilette, damit er ungestört seine Sachen durchsuchen konnte. Aber den Kontrakt hat er nicht gefunden - der lag nämlich in dem Mantel, den Elvestad im Speisesaal zurückgelassen hatte.«
    »Deshalb hast du also den Mantel mit dem Toten getauscht?«
    Ich nickte.
    »Aber Heydrich wird bestimmt wieder zuschlagen. Der Mord an Elvestad zeigt nämlich, dass er ziemlich verzweifelt ist. Er schießt erst und fragt dann, wie man so sagt. Sehr wahrscheinlich wird er es versuchen, noch bevor wir in Kristiansand ankommen.«
    Kiss trat das Gaspedal ganz durch.
    »Wir fahren schneller, damit er es nicht schafft!«
    Der Chrysler nahm Fahrt auf. Es gefiel mir nicht, die Scheinwerfer reichten nicht weit genug. Jeden Augenblick konnte unverhofft eine scharfe Kurve vor uns auftauchen. Auch die Straße selbst war nicht für dieses Tempo gemacht. Immer wieder schossen wir über den Straßenrand, wo das Regenwasser große Löcher im Kiesbelag gebildet hatte.
    »Kiss!«, rief ich. »Ganz ruhig. Wir werden Heydrich nicht entkommen können. Das ist unmöglich!«
    »Dazu gehören zwei!«
    In einer Kurve verlor sie die Kontrolle über den Wagen. Zu Tode erschrocken sah ich die Felswand auf uns zukommen. Ich schloss die Augen und wartete auf den Knall, der kommen musste.
    Aber er kam nicht. Als ich wieder hinzugucken wagte, fuhren wir weiter die Straße entlang, als wäre nichts geschehen. »Um Gottes Willen, Kiss! Du erreichst nichts anderes, als uns zu Schrott zu fahren. Heydrich benutzt ein Wasserflugzeug.«
    »Ein Wasserflugzeug?«
    »Ja, natürlich. Nur so konnte er Elvestad und mich einholen. Er ist von Oslo aus geflogen. Er hat das Flugzeug auf einem See nahe Skien stehen lassen. Und jetzt ist er ganz sicher schon wieder in der Luft!«
     
    Im Kanal
     
    Gegen fünf Uhr waren wir gezwungen anzuhalten, Kiss war zu müde zum Weiterfahren. Ich kroch auf die Rückbank und wickelte mich in Elvestads Mantel. Kiss blieb hinter dem Lenkrad sitzen, hatte den Kopf an den Sitzrücken gelehnt und die Augen geschlossen.
    Ich erinnere mich, dass ich da lag und mich auf die Dinge freute, die wir tun könnten, wenn das alles vorbei war. Vielleicht hatten wir ja sogar genügend Geld, um ein paar Tage in einem Hotel in Kristiansand zu bleiben. Nach den ganzen Anstrengungen hatten wir das wohl verdient.
    »Ich liebe dich, Kiss«, flüsterte ich in die Dunkelheit.
    Sie gab keine Antwort. Vermutlich war sie sofort eingeschlafen.
    Bald schlief auch ich.
     
    Es war ungefähr zehn, als ich von einem Motorengeräusch über uns geweckt wurde. Ich war zu schläfrig für eine Reaktion, wie paralysiert lag ich da und lauschte der Maschine hoch oben in der Luft. Es klang, als mühte sie sich ab, an Höhe zu gewinnen. Eine Weile ging es so weiter. Dann änderte das Geräusch plötzlich seinen Charakter. Ein tiefes Brummen verriet, dass das Flugzeug zur Landung ansetzte. Ich sprang aus dem Wagen.
    Wir hatten den Chrysler ungefähr zwanzig Meter von der Landstraße entfernt unter schlanken Kiefern abgestellt. Etwas weiter konnte ich jetzt das Meer zwischen den Baumstämmen erkennen. Ich lief bis zum Ufer und spähte umher. Es war ein weiterer feuchter Tag, mit Regenwolken so weit das Auge reichte. Keine Spur von dem Flugzeug. Bald war auch das Motorengeräusch verschwunden.
    Ich lief am Strand entlang und suchte nach etwas Essbarem. Ich fand lediglich ein paar Miesmuscheln, die ich mit dem Springmesser von einem kahlen Felsen ablöste. Ich hätte mir die Mühe sparen können. Als ich zum Wagen zurückkam, saß Kiss auf dem Trittbrett und blätterte im Straßenplan. Sie warf einen Blick auf das mitgebrachte Frühstück. »Nein, vielen Dank. Ich habe doch gesagt, dass ich rohe Miesmuscheln nur mit einem trockenen Muscadet esse. Wirf das Zeug weg und hilf mir lieber, den Reddalskanal auf der Karte zu finden.«
    Ich tat, was sie verlangte.
    »Wozu musst du das wissen?«, fragte ich entmutigt und strich mir mit einer feuchten Hand das Haar zurück.
    »Weil ich weiß, wo wir sind, wenn wir dort ankommen«, erwiderte sie entnervt. »Und dann weiß ich, wo wir das
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