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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann
Autoren: Terje Emberland
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nächste Mal abbiegen müssen.«
    Ich sah auf die Karte.
    »Sieht nicht so aus, als müssten wir irgendwo abbiegen. Sobald wir Moland passiert haben, kommen wir zum Reddalskanal. Von dort aus müssen wir bloß noch der Hauptstraße nach Kristiansand folgen.«
    Kiss schleuderte den Plan in den Wald. »Na, toll«, sagte sie. »Dann muss ich wohl gleichzeitig fahren und nach den Straßenschildern Ausschau halten!«
    »Du hättest dein Miesmuschelfrühstück essen sollen, dann wärst du jetzt nicht so mies gelaunt!«
    Kiss fuhr rückwärts auf die Landstraße und raste los, ohne ein Wort zu sagen. Ich entschied mich für dieselbe Strategie. Es ist vielleicht nicht einfach, wenn man morgens hungrig und schlecht gelaunt ist, aber es sollte doch wohl möglich sein, sich zusammenzureißen und es nicht an Unschuldigen auszulassen. Denn was hatte ich eigentlich getan? Ich hatte versucht, etwas Essbares zu finden, und sie korrigiert, als sie die Karte nicht richtig lesen konnte.
    Aber schon bald hatte ich genug von der feindseligen Schweigsamkeit.
    »Hör zu, Kiss!«, sagte ich. »Ich weiß ja, dass ich Lennart niemals ersetzen kann, aber …«
    Sie schnaubte verächtlich. »Herrgott noch mal. Kommst du jetzt wieder damit?!«
    »Aber du musst doch zugeben, dass Lennart deine große Liebe war, Kiss!«
    »Nein. Ganz im Gegenteil, ich habe mir nie besonders viel aus dem armen Kerl gemacht.«
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    »Wenn das stimmt, Kiss, wieso hast du dich dann damit abgefunden, wie er dich behandelt hat? Die Untreue, das Auspeitschen …«
    »Weil Winther nichts davon getan hat.«
    »Ach, nein? Was ist mit der Geschichte im Salon Keller - dass er eine Prostituierte zu Tode misshandelt hat? Stimmt das etwa auch nicht?«
    Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Natürlich nicht. Winthers einzige Schwäche war seine Kokainsucht, aber das reichte, um ihn gefügig zu machen.«
    Ich glotzte sie an.
    »Ich wusste, dass du früher oder später die Narben entdecken würdest«, sagte sie, »und entschied mich zu behaupten, dass Lennart Winther sie verursacht hatte.« Sie sah mich aus dem Augenwinkel an. »Ich habe übrigens seit Kurzem ein paar neue. Hast du Lust, sie zu sehen?«
    Ich starrte sie ungläubig an. Sie erwiderte meinen Blick nicht, sondern schaute mit höhnisch verzogenem Mund starr geradeaus.
    »Du meine Güte«, sagte ich schließlich. »Du bist Reinhard Heydrichs Geliebte!«
    Ich bemerkte nicht, dass sie langsamer fuhr, bis sie auf einen Parkplatz abbog und den Wagen anhielt. Der Platz lag direkt vor einer steinernen Bogenbrücke, die einen schmalen, tief unten im Fels verlaufenden Kanal überspannte. Ein paar hundert Meter weiter links, am Ende der engen Schlucht, konnte ich das Meer erkennen.
    Kiss drehte sich zu mir.
    »Winther und ich wurden beauftragt, den Kontrakt hier in Norwegen aufzuspüren«, sagte sie. »Da war es sehr praktisch, sich als verlobtes Paar auszugeben. Doch als Reinhard hierherkam, um die Nachforschungen persönlich zu leiten, war Winther natürlich im Weg. Das wusste er auch selbst, und deshalb hat er sich in der Regel irgendeine Entschuldigung ausgedacht, um in der Stadt bleiben zu können. Somit hatten Reinhard und ich den Landsitz für uns allein.« Sie lächelte schelmisch. »Wenn du wüsstest, wozu mich dieser Mann alles bringen kann. Ich kann Reinhard ganz einfach nicht widerstehen. Er ist ein verführerischer und hübscher Dämon. Und nur damit du es weißt, Erik, ich hatte immer schon Gefallen an der Peitsche.«
    »Wie romantisch«, sagte ich verbittert. »Aber wozu musstet ihr Lennart umbringen?«
    »Weil seine Unfähigkeit früher oder später alles verdorben hätte! Er schaffte es sogar, den Wagen mit Rustads Leichnam mitten in der Osloer Innenstadt abzustellen, das ist doch die Höhe! Der Becher war voll, als er Fredriksen dazu brachte, den Aufenthaltsort der Familie Frey preiszugeben. Winther hat ihn erschlagen, war aber nicht Manns genug, in einem Schwung auch das Judenpack abzuservieren. Und dann hat er Fredriksens Leiche einfach da liegen lassen und kam mit den Schlüsseln zu Reinhard gelaufen! Es war pures Glück, dass die Polizei die Juden nicht gefunden hat.«
    »Das tat sie leider nicht«, erwiderte ich. »Und am folgenden Abend gingen Heydrich und Lennart in Fredriksens Wohnung?«
    »Reinhard ließ Winther in die Wohnung vorgehen und die Thermitbombe werfen. Danach hat er ganz einfach die Tür zugemacht. Typisch Reini, so teuflisch clever und ausgeklügelt! Er wusste,
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