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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition)
Autoren: Paolo Pacigalupi
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einer Tür aus dickem Mahagoniholz. Der Angestellte tritt zurück in den Aufzug und verschwindet, lässt mich in dieser seltsamen Schleuse stehen. Vermutlich werde ich von Kulaaps Sicherheitsleuten überprüft.
    Die Mahagonitür öffnet sich, und ein Schwarzer, der vierzig Zentimeter größer ist als ich und dessen Muskeln sich wie Schlangen wölben, bedeutet mir lächelnd einzutreten. Er führt mich durch Kulaaps private Zuflucht. Die Temperatur ist hoch, beinahe tropisch, und überall um mich herum plätschern Springbrunnen. Das Rauschen des Wassers erfüllt die Wohnung wie Musik. Ich öffne meinen Kragen in der Schwüle. Ich habe kühle, klimatisierte Räume erwartet, stattdessen komme ich ins Schwitzen. Es beinahe wie zu Hause. Und dann steht sie vor mir, und mir versagt die Stimme. Sie ist schön. Und mehr als das: Es ist einschüchternd, vor einer Person zu stehen, die im Film und in ihrer Musik so real ist, der man aber niemals zuvor leibhaftig begegnet ist. Sie ist nicht so atemberaubend wie in den Filmen, aber da ist mehr Leben, mehr Präsenz; im Film geht diese Eigenschaft verloren. Ich vollführe ein Nop zur Begrüßung, indem ich meine Hände aneinanderlege und meine Stirn berühre.
    Sie lacht darüber, nimmt meine Hand und schüttelt sie nach Art der Amerikaner. »Du hast Glück, dass Marty dich so mag«, sagt sie. »Ich gebe nicht gern Interviews.«
    Nur mit Mühe bringe ich ein Wort heraus. »Ja. Ich habe nur ein paar Fragen.«
    »Nein, nein. Nicht schüchtern sein.« Sie lacht wieder und hält weiter meine Hand, zieht mich in Richtung ihres Wohnzimmers. »Marty hat mir von dir erzählt. Du brauchst Hilfe für dein Rating. Er hat auch mir einmal geholfen.«
    Sie macht mir Angst. Sie gehört meinem Volk an, doch sie hat sich besser an diesen Ort angepasst als ich. Sie scheint sich hier wohlzufühlen. Sie geht anders, lächelt anders; sie ist eine Amerikanerin, vielleicht mit dem Flair unseres Landes, aber ohne dessen Wurzeln. Das ist ganz offensichtlich. Und auf seltsame Weise enttäuschend. In ihren Filmen hat sie eine so schöne Körperhaltung, doch jetzt setzt sie sich auf ihr Sofa und lehnt sich lässig zurück, die Beine weit von sich gestreckt. Ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie sie wirkt. Ich schäme mich für sie und bin froh, dass ich nicht meine Kamera ausgepackt habe. Mit Schwung legt sie die Füße auf den Couchtisch. Ich kann nicht anders, ich bin schockiert. Sie bemerkt meinen Gesichtsausdruck und lächelt.
    »Du bist schlimmer als meine Eltern. Wie frisch vom Boot gekommen.«
    »Das tut mir leid.«
    Sie zuckt mit den Schultern. »Mach dir keine Gedanken. Ich habe mein halbes Leben hier verbracht, ich bin hier aufgewachsen. Andere Länder, andere Sitten.«
    Ich bin verlegen. Ich unterdrücke das Lachen, das vor lauter Anspannung in mir aufsteigt. »Ich habe nur ein paar Interviewfragen«, sage ich.
    »Nur zu.« Sie setzt sich auf und bringt sich für die Kamera, die ich auf ein Stativ montiere, in Position.
    Ich fange an. »Als die März-Säuberungen begannen, da waren Sie in Singapur.«
    Sie nickt. »Das ist richtig. Wir haben gerade Der Tiger und der Geist zu Ende gedreht.«
    »Was war Ihr erster Gedanke, als es passierte? Wollten Sie zurückgehen? Waren Sie überrascht?«
    Sie runzelt die Stirn. »Mach die Kamera aus.«
    Als sie aus ist, schaut sie mich voller Mitleid an. »So bekommst du keine Klicks. Niemand interessiert sich für eine alte Revolution. Noch nicht einmal meine Fans.« Plötzlich steht sie auf und ruft quer durch den grünen Dschungel ihrer Wohnung: »Terrell?«
    Der große Schwarze erscheint. Lächelnd und tödlich. Furchteinflößend ragt er über mir auf. In den Kinofilmen meiner Kindheit gab es immer einen solchen Falang. Schreckliche schwarze Männer, die von unseren Helden besiegt werden mussten. Später, als ich nach Amerika kam, war das ganz anders, und mir wurde klar, dass die Falang und die Schwarzen es nicht mögen, wie wir sie in unseren Filmen darstellen. Ein bisschen so, wie wenn ich in ihren vietnamesischen Filmen laotische Freiheitskämpfer sehe, die sich so scheußlich aufführen. Das hat rein gar nichts mit der Realität zu tun, sie werden dargestellt, als wären es Tiere. Und trotzdem, ich kann nicht anders als unter Terrells Blicken zusammenzuzucken.
    »Wir gehen aus, Terrell«, sagt Kulaap. »Sorg dafür, dass ein paar Paparazzi Bescheid wissen. Wir werden ihnen eine Show liefern.«
    »Ich verstehe nicht«, sage ich.
    »Du willst doch
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