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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat
Autoren: John Updike
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Gast gewesen? Habe ich mich je über das Essen beschwert, Postkarten hinausgeschmuggelt, versucht, die Laufjungen zu mißbrauchen? Habe ich Privatmessen in meinem Zimmer abgehalten, mich geweigert, Karten zu spielen, weil der Teufel in ihnen steckt? Habe ich schlechtes Befinden vorgetäuscht und den Arzt bestochen, mir einen Entlassungsschein auszuschreiben? Habe ich Ihnen gegenüber den Geistlichen herausgekehrt, habe ich die Nerven verloren und meine Schreibmaschine zertrümmert wie manche andere, von denen wir wissen? Nein. Ich bin ein Spaßvogel gewesen, ich habe mich getreulich an mein Gehorsamsgelübde gehalten, habe den rechten Kameradschaftsgeist bewiesen, war willig, zu lernen, und bei all meiner Schamlosigkeit bestrebt, als gutes ‹Exemplar› in die Welt zurückzukehren, wenn nicht gar als gutes exemplum. Ich möchte meinen Verdienstorden haben. Und Sie, Ms. pynnen ihn mir an. Bei Nacht, wenn Sie es wünschen, aber frischer und phallischer bin ich am Morgen. Neigen Sie sich über mich und hören Sie meinen Schrei.
    Ich liebe dich, weil (a) du da bist, (b) diese Zufluchtsstätte so trefflich leitest, (c) dich nie beklagst, (d) allein zu sein scheinst und (e) liest, was ich schreibe.
    Du liebst mich, weil ich (a) hier bin, (b) dich brauche.
    Oh, nichts für ungut. Plötzlich ist es Mittag, und das Universum ist für mich zu einem einzigen kleinen Kreis weißer Bläschen geschrumpft, dem kühlen galaktischen Schaum auf einem Daiquiri.

30
    Dann bleib doch weg, du Hure. Du schassierende Schlampe, du. Ich habe die ganze Nacht kaum ein Auge zugetan, so angestrengt horchte ich auf deine Schritte, auf deine Finger an der Klinke, das Rascheln deiner Seide, das kleine, tränenvolle, zwiefache Sauggeräusch, wenn du die Kontaktlinsen entfernst, die du aus Eitelkeit zu tragen pflegst, wenn du zu einem deiner schrecklichen «Termine» in diesem Quadratstaat das Haus verläßt. Das hast du nicht gewußt, daß ich das über dich wußte, oder? Der alte Tom Marshfield, er hat seine Spitzel, um Lear zu paraphrasieren.
    Im Ernst. Lebe wohl. Ich kann kaum eine Seite heute schreiben; ich habe alles, was mir einfällt zu meinem beklagenswerten Fall, mindestens zweimal gesagt, und ich habe den Vormittag damit verschwendet, zu packen und zu horchen, ob ich deine Schritte hörte. Gepackt habe ich, nehme ich an, auf die geringe Chance, die Pascalsche Wahrscheinlichkeit hin, daß du dich erbarmst und morgen vormittag zu mir kommst. Das Flugzeug geht erst um zwei, es wäre Zeit genug. Zeit, um der Zeit ein Schnippchen zu schlagen.
    Der Schlafmangel raubt mir den Verstand. Es wird eine Wohltat sein, ins Bett zu kriechen neben Janes steinernem Schlummer und selbst ein Stein zu werden. Hier ruhet Thomas nebst seiner Gemahlin Jane, versteinert im Dienste des Herrn, hier belassen als Monument und Mahnung an Vorübergehende.
    Was erwarte ich sonst von der Zukunft? Der froschäugige Ned hockt breit auf meinem alten Seerosenblatt; ich vermute, man wird mich in ein entlegenes Dorf verbannen, wo einst an jedem Mittsommerabend die Bewohner mir wie einem Minotaurus eine Jungfrau darbringen werden, und ich werde dafür bei jeder Frühlingssonnenwende mit Hilfe eines Spritzers von meinem Blut ein Wunder vollbringen, damit die Feldfrüchte wachsen und gedeihen und die Dörfler weiterhin in heiterer Unschuld leben. So sei es. Ich füge mich.
    Die ärgste Mühe machte es mir, mit Hilfe einer Gabel, die ich aus deinem glühendheißen Speisezimmer mit den langen, zugezogenen, vanillefarbenen Vorhängen stibitzt hatte, all den Dreck zwischen den Nägeln meiner Golfschuhe herauszuklauben, damit meine Sommersachen (so adrett gereinigt und gebügelt in der Chemischen Reinigung Peyote) nicht davon schmutzig würden, wenn sie im Bauch des großen Aluminiumvogels bibberten. Ich habe elf Rasierklingen und zwei Tuben Zahnpasta in dieser aufgelaufenen Zeitspanne eines Monats verbraucht. In dem Lande meiner Gemeinde nähert sich der kürzeste Tag des Jahres und jemandes Geburtstag – ich glaube, es ist das kleine Kerlchen, dem es nie gelingt, die Kerzen alle auszupusten.
    Die eschatologische Befriedigung, Dinge zurückzulassen – zwei Paar abgetragene Socken, ein kurzärmeliges Sporthemd, dessen Naht bei einem überzogenen Schlag mit dem Eisen 3 platzte, eine Flasche Coppertone, knochentrocken. Äußere Dunkelheit. Der Überwelt zur Ver-Fügung. Unser mürbe gewordenes Gewissen zuckt zusammen, aber es mag eine Gnade darin liegen.
    Soll ich Was Jungen und
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