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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat
Autoren: John Updike
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irgendwelcher anderen Menschen als meiner Obhut anvertraut zu sehen – sie und ich sind in Gottes Hut. Das meiste von dem, was wir haben, ist nicht erworben, sondern uns gegeben worden. Dankbares Annehmen ist unsere Aufgabe und ein halbbewußtes Verfolgen der Erzadern im umschließenden Gestein.
    Die abscheulichen Übel dieses Jahrhunderts haben ihren Ursprung in der Glorifizierung des Willens im Jahrhundert davor.
    Meine Impotenz bei Frankie erscheint mir jetzt als ein Ergebnis von Über-Kontrolle, als eine Folge meines Wunsches, die Vollkommenheit zu erlangen, die sie leicht wie ein Federkleid umgab. Wenn sie mich wirklich geliebt hätte, hätte sie sich selbst verstümmelt. Ich versuchte, sie zu verstümmeln, aber die Zeit reichte nicht aus.
    In meiner Schlaflosigkeit jetzt, zwischen masturbatorischen, Sie, Ms. Prynne, umkreisenden Phantasiespurts (Ihre Scham muß ein Häufchen glimmender Kohlen sein, und um Ihre Brustwarzen werden ein paar dunkle, kitzelnde Haare stehen), bete ich, und meine Gebete schweben in die Luft empor wie lauter Riffelwellen, wie das Geläute von Worten, die über einen durchsichtigen Knüppelweg dahingleiten oder über ein riesiges übernatürliches Xylophon, das sich diagonal vor mir erhebt wie eine Folge sanfter Brandungswellen, und meine Worte werden davongetragen in den Räumen dazwischen und werden beantwortet, nicht stetig, sondern in Freudenausbrüchen, die mich fast aus meinen Rippen reißen und mir meine frühmorgendlichen Kerkerstunden in diesen graugrünen vier Wänden zu kostbar machen, als daß ich sie verschlafen wollte. Golf spiele ich am nächsten Tag schlampig, und mein Pokern ist flatterhaft, zerstreut. Sogar meine Sonnenbräune schwindet.
    Aber es ist Jahre her, daß ich körperlich meine Gebete erhört fühlte. Wer unten ist, sagt uns Bunyan, braucht den Fall nicht zu fürchten. Wer unten ist, sagt das Es, ist oben.
    Ich erwarte hochachtungsvoll Ihren Kommentar.

29
    Nichts. Kein Wort. Sie lesen mich nur an langweiligen Sonntagen. Sie fühlen sich durch meine Annäherungsversuche abgestoßen. Sie haben aufgehört zu existieren. Ich habe eine Stunde damit verschwendet, meine armselige Laboratoriumsratte von Hirn in diesem Labyrinth von Möglichkeiten herumzujagen und die früheren Seiten durchzublättern auf der Suche nach Worten von Ihnen, die ich übersehen haben könnte. Nichts. Nicht ein Wort.
    Heute ist Dienstag. Am Donnerstag reise ich ab. Sehen Sie mich in Ihrer Vorstellung im Himmel; sehen Sie mich als Himmelsgott, als Uranus Ihrer Gäa gegenüber, als Regentropfen, die auf Ihre Wüste fallen, als frohe Botschaft für Ihre Verzweiflung, als Geplapper in Ihr Schweigen hinein. Woher nehme ich das Recht, fragen Sie, zu erwarten, daß Sie, die Sie mit dieser heiklen Stellung nicht zuletzt (neben anderen Tugenden, Fähigkeiten, Diplomen als Fachkraft für Hotel- und Krankenhausmanagement, Lebensrettungskursen bei der YMCA) Ihrer entschiedenen Unverfügbarkeit wegen betraut wurden, daß Sie sich herablassen würden zu mir, einem Wurm, einem Wurm von jener Sorte, die Sie in Schüben hier verarzten. Soviel ich weiß, wurden Sie wegen Ihrer Unzugänglichkeit gegenüber Geistlichen auserwählt, wegen Ihrer Antipathie gegenüber Kirchenmännern, die in Ihren Augen ekelhafte Parasiten sind, Benzin und Heizmaterial für nutzlose Missionen und Riten vergeuden, sich einmischen, wo immer jemand sich zu Tode keucht oder sich verheiratet, das Recht für sich in Anspruch nehmen, beim feierlichen Lunch der Rotarier das Tischgebet zu sprechen etc. Und Sie erleben die schlimmsten von ihnen, die Nieten, eine monatliche Bande von aussätzigen und sich in Bitternis verbeißenden Versagern.
    Doch noch habe ich das Senfkorn. Und Sie haben noch die schwache Stelle in Ihrer Rüstung. Da war die Luftblase, wenn wir uns in der Halle begegneten. Und sogar die Seltenheit ermutigender, hilfreicher Kommentare auf meinen Blättern gewinnt eine positive, erotische Bedeutung. Ja, Sie sind eine unstete Ephemeride, die an meinen Rändern entlanghuscht. Und Sie sind dennoch das Ende, das intelligens entis meines Seins, soweit ich auf Papier existiere. Geben Sie mir einen Körper. Sonst falle ich auf immer durch den Raum. Halten Sie mich an.
     
    Irgend etwas reißt mich immer wieder aus meinen Träumen heraus, und ich liege stundenlang wach, hysterisch wie eine Gitarrensaite. Letzte Nacht träumte ich, ich brächte meinem Sohn das Gehen bei. Welchem Sohn, war nicht klar. Wenn ich ihn hochhob, machte
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