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Der Sonntagsmann

Der Sonntagsmann

Titel: Der Sonntagsmann
Autoren: Kanger
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Krise überstanden ist.«
    »Mach das«, meinte Rosén, »er mag dich.«
    »Oskar Kärnlund hat immer an mich geglaubt.«
    »Ich weiß.«
    »Deswegen habe ich jetzt auch vor, an ihn zu glauben.«
     
    Egon Jönsson fand, es sei noch zu früh, ins Krankenhaus zu fahren. Sie würden nur im Weg sein und vielleicht auch Kärnlunds Frau stören. Vermutlich wollte sie mit ihrem Mann allein sein. Dann gab er jedoch Elinas Entschlossenheit nach. Gemeinsam betraten sie die Intensivstation der Kardiologie und fragten sich zu Kärnlunds Zimmer durch. Mit einer Sauerstoffmaske vor dem Gesicht lag Oskar Kärnlund im Bett, reglos und nichts um sich herum wahrnehmend, aber das Kardiogramm neben ihm zeigte, dass er noch am Leben war. Vera Kärnlund saß bedrückt auf einem Stuhl. Sie wirkte schmächtig und gab den Besuchern schweigend die Hand, als sie eintraten.
     
    Drei Tage später saß Elina Wiik allein an Oskar Kärnlunds Bett. Vera Kärnlund hatte zwei Tage und Nächte bei ihm gewacht, immer nur kurz geschlafen und war schließlich nach Hause gefahren, um nicht auch noch ihre eigene Gesundheit zu riskieren. Elina hatte zweimal am Tag vorbeigeschaut, war eine halbe oder eine ganze Stunde geblieben, hatte aber auch nichts anderes tun können, als abzuwarten. Jetzt hatte sie Vera versprochen, einige Stunden zu bleiben.
    Schwer und grau lag Oskar Kärnlund im Bett. Er schien zu schlafen, aber plötzlich schlug er die Augen auf und drehte seinen Kopf in Elinas Richtung.
    »Sitzt du immer noch hier?«
    »Wusstest du, dass ich hier war?«
    »Natürlich, ich habe dich schon gestern gesehen. Das war abends, nicht wahr?«
    »Du bist über den Berg, Oskar. Die Ärzte meinen, dass du wieder gesund wirst. Weißt du das schon?«
    Er lächelte schwach.
    »Ich glaube, du hast mich zum ersten Mal mit Oskar angesprochen.«
    »So ist das nun mal mit diesem Polizistenjargon, man nennt sich eben beim Nachnamen. Für mich warst du immer nur Kärnlund.«
    »Im Augenblick habe ich nicht mal das Kommando über mich selbst. Es ist wirklich fürchterlich.«
    Elina wollte ihre Hand auf die Seine legen, wollte ihm sagen, es werde alles wieder gut, aber Oskar Kärnlund wandte den Kopf zur Seite und schloss die Augen.
     
    Als sie ihn zwei Tage später besuchte, saß er bereits im Aufenthaltsraum der Station in einem Rollstuhl.
    »Vera hat mir erzählt, dass du mich mehrmals täglich besucht hast, während ich bewusstlos war. Vielen Dank.«
    »Das ganze Dezernat hat sich Sorgen gemacht. Wie geht es dir heute?«
    »Die Ärzte finden, dass ich einen Bypass brauche. Ich muss wohl noch eine Weile bleiben. Sie wollen die Sache im Auge behalten, sagen sie. Die Operation ist in ein paar Wochen. Dann ist alles wieder wie vorher. Ich werde wieder der Alte. Als wäre das so erstrebenswert.«
    Er fuhr fort, noch ehe Elina etwas erwidern konnte.
    »Als ich erwachte, kamen mir als erstes Vera und Nils und seine beiden kleinen Mädchen in den Sinn. Als Nils klein war, habe ich eigentlich nur gearbeitet. Vera hat sich um ihn gekümmert. Diese Zeit wünsche ich mir manchmal zurück. Aber jetzt ist es zu spät.«
    »Und die Mädchen? Kannst du nicht mehr Zeit mit ihnen verbringen?«
    »Es ist schon wahr. Wenn es ans Sterben geht, wird das ganze Leben noch einmal vor einem abgespult. Man rechnet mit sich selbst ab, ohne Wenn und Aber. Man wird brutal ehrlich. Diese Tage … es war nicht leicht, sie zu überleben.«
    »Du wirst nicht sterben«, sagte Elina und merkte sofort, dass sie falsch reagierte. Oskar Kärnlund sprach von seinem Leben und nicht von seinem Tod. »Geh nicht zu hart mit dir ins Gericht«, meinte sie dann.
    »Weißt du«, überlegte er und sah ihr durchdringend in die Augen, als sei der Kommissar wieder in ihm erwacht, »ich dachte an meine Familie, aber da ist noch ein anderes Gesicht aufgetaucht.«
    »Und das wäre?«
    »Das einer Frau.«
    »Die du mal geliebt hast?«, fragte Elina rasch und ohne nachzudenken.
    »Nein, aus einem Fall. Lange her. Frühe Achtziger ungefähr, ich erinnere mich nicht mehr genau. Es handelte sich um eine junge Frau. Sie ist in der Wildnis gefunden worden, irgendwo in Norrbotten. Ein Kollege von dort oben hat die Ermittlung geleitet. Sie war allerdings wohnhaft in Västerås, deswegen bin ich am Rande auch an dem Fall beteiligt gewesen.«
    »Und im Einzelnen?«
    »Erdrosselt, wenn ich mich recht entsinne. Die Leiche war jedoch schon sehr stark verwest gewesen. Sie hatte mehrere Monate lang im Freien gelegen. Wir haben alle
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