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Der Sonntagsmann

Der Sonntagsmann

Titel: Der Sonntagsmann
Autoren: Kanger
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sich selbst winseln: ein leises Geräusch, wie das eines Tieres. Sie lief durch die Straßen, an einem Häuserblock nach dem anderen entlang.
    Plötzlich sah sie das Schild: »LOVE PLANET«. Es tauchte aus dem Nichts auf. Sie atmete auf und hämmerte an die Tür. Nach einer Weile kam die Frau, die an der Rezeption gesessen hatte. Wortlos ließ sie Kari ein.
    Am Morgen bat Kari darum, das Telefon benutzen zu dürfen. Sie wählte die örtliche Nummer, die sie vom Reisebüro in Schweden bekommen hatte. Der Vertreter ihrer Fluggesellschaft meinte, es gebe noch einige wenige Plätze für den Flug an diesem Tag, aber die Umbuchung koste einhundert Dollar. Kari zählte ihre Geldscheine und war einverstanden. Auf der Straße stoppte sie ein Taxi. »How much to the airport?«
    »Fifteen dollar.«
    »I have twelve.« Der Taxifahrer öffnete die Tür auf der Beifahrerseite.
     
    Siebzehn Stunden und zwei Zwischenlandungen später landete die Maschine in Arlanda. Kari konnte sich nur noch mit Mühe auf den Beinen halten, als sie die Empfangshalle betrat. Sie fühlte sich schmutzig, sowohl innerlich als auch äußerlich. Sie hatte das Gefühl, dass alle sie anstarrten. Das Paket unter ihrer Bluse brannte auf ihrem Bauch. Sie folgte dem allgemeinen Strom, ohne zu wissen, wohin sie gehen musste, um ins Freie zu gelangen. Sie kam an einer Reihe Läden vorbei, fuhr eine Rolltreppe hinunter und ging durch Glastüren, die sich automatisch öffneten. In einer großen Halle kreisten die Fließbänder mit dem Gepäck. Sie sah sich um. »Paris« stand auf einem Monitor an der Decke. Dort war sie das zweite Mal zwischengelandet. Sie stellte sich vor das Band. Etwas weiter entfernt hing ein Schild an der Wand: Zoll. Kari spürte, dass ihre Knie weich wurden. »Irgendetwas nicht in Ordnung?«, fragte sie ein Mann in Anzug. »Wo sind die Toiletten?«, wollte sie mit schwacher Stimme wissen. Der Mann wies ihr den Weg. Sie ging, so rasch sie konnte, doch es gelang ihr trotzdem nicht, den Kopf noch rechtzeitig über die Kloschüssel zu halten, bevor sie sich übergeben musste.
    Als sie wieder hinaustrat, nahm sie ihren Rucksack vom Band, es war der letzte, der verwaist seine Runden drehte. Sie steuerte auf den Ausgang und auf ein Schild mit der Aufschrift: Reisende aus EU-Ländern zu. Sie hielt ihren Rucksack mit beiden Händen wie einen Schild vor der Brust und blickte starr geradeaus. Hinter einem Tisch unterhielten sich zwei uniformierte Männer, offenbar Zollbeamte, schienen aber nicht zu bemerken, dass sie vorbeiging. Eine Schiebetür glitt zur Seite, davor warteten Menschen. Noch ein Schritt und sie war bei ihnen, in Sicherheit.
    »Entschuldigung!«
    Sie hörte eine Stimme hinter sich. Als sie sich umdrehte, standen die beiden uniformierten Männer vor ihr. Einer von ihnen lächelte. Er wirkte nett.
    »Dürfte ich Sie bitten, noch mal zurückzukommen? Nur für eine kurze Kontrolle.«

3. KAPITEL
    Eine Frau eilte durch die Straßen Oslos. Sie rannte nicht, ging aber sehr schnell, als wolle sie entkommen. Sie wollte das Unbehagen hinter sich lassen. Gerade eben noch war sie in einem Geschäft gewesen und hatte sich die Waren angesehen. Ein Kaufhausdetektiv war ihr gefolgt. Er war nicht einmal sonderlich diskret gewesen. Er hatte sich in geringer Entfernung von ihr postiert und gestarrt. Um die anderen Kunden hatte er sich nicht gekümmert.
    Sie war das gewohnt. So war es eben, in einem weißen Land schwarz zu sein. Obwohl sie schon seit fast zwanzig Jahren in diesem Land wohnte. Obwohl sie die Sprache beherrschte und obwohl sie nach ihrem Studium immer ihr eigenes Geld verdient hatte. Sie war allen erdenklichen Normen gemäß angepasst und verhielt sich genau so, wie es ihre neuen Landsleute wünschten und forderten. Sogar dieser Politiker, der aussah wie ein amerikanischer Fernsehprediger, konnte mit ihr zufrieden sein. Der, der immer davon sprach, wie wichtig es sei, dass auch die Einwanderer nach den norwegischen Werten lebten.
    Sie war es gewohnt, aber sie würde sich nie daran gewöhnen. Deswegen eilte sie durch die Stadt. Es kam vor, dass sie erwog zurückzukehren. Aber zu was? In ihrem alten Heimatland würde sie sich wie eine Touristin vorkommen. Außerdem hatte sie Verpflichtungen, denen sie nicht einfach entfliehen konnte. Und Bindungen. Sie fuhr neuerdings sogar Ski.
    Als sie den Schlüssel in die Wohnungstür steckte, hatte sie sich wieder beruhigt. Das war ihr Zuhause. Sie trat über die Schwelle, bückte sich und hob die Post
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