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Der Sonntagsmann

Der Sonntagsmann

Titel: Der Sonntagsmann
Autoren: Kanger
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gegenüber so etwas wie Vorfreude. Sie ließ sich auf ihren Stuhl sinken und begann, im obersten Ordner zu blättern.
    Das Opfer hieß Ylva Marieanne Malmberg, geboren am 30. September 1954, wohnhaft in der Sandgärdsgatan in Västerås. Schülerin der Tärna Folkhögskola zwischen 1977 und 1979. Sie hatte Kurse in Entwicklungshilfe und Kunsthandwerk belegt.
    Elina suchte in den Papierbergen nach einem Foto der Frau, um ein Bild vor Augen zu haben, während sie weiterlas. Sie stieß auf eine vergilbte Plastikmappe. Auch die Fotos waren ein wenig verfärbt. Auf dem obersten Bild waren drei lachende Mädchen zu sehen, oder handelte es sich bereits um Frauen? Sie fragte sich, welches von ihnen Ylva Malmberg war. Auf dem nächsten Bild saß eine Frau an einer Schreibmaschine und lächelte in die Kamera. Auf die Rückseite hatte jemand, vermutlich ein Ermittlungsbeamter, »Ylva M.« geschrieben. Die Frau hatte langes, glattes Haar, weder dunkel noch hell, und trug einen gestrickten Pullover. Recht hübsch, dachte Elina. Aber auch recht durchschnittlich.
    In einer Broschüre, in der alle Schülerinnen und Schüler der Tärna Folkhögskola des Jahres 1978 abgebildet waren, kniete Ylva Malmberg neben vier anderen Frauen. Hinter ihnen standen vornübergebeugt drei Jungen, oder handelte es sich bereits um Männer? Einer von ihnen stützte sich auf Ylvas Schultern ab. Er hatte langes, blondes Haar, trug einen Rollkragenpullover und sah recht kindlich aus.
    Sie warf erneut einen Blick auf die Uhr. Es war fast halb elf. Mit einem Seufzer legte sie die Fotos beiseite und griff nach der Dokumentenablage auf dem Schreibtisch.
     
    Der Frau, die vor Elina Platz genommen hatte, fehlten oben zwei Zähne, und über ihrem linken Auge hatte sich die Haut blau, gelb und rot verfärbt. Das Auge war blutunterlaufen. Sie sah zehn Jahre älter aus, als sie tatsächlich war. Elina hatte sie vor einem Jahr schon einmal getroffen. Der Grund war derselbe gewesen. Ihr Mann war zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden und es war ihm untersagt worden, sich ihr zu nähern, aber sie war freiwillig zu ihm zurückgekehrt. Genau wie sie es bereits nach der ersten Verurteilung wegen Körperverletzung getan hatte.
    »Dieses Mal verlasse ich ihn«, sagte sie. »Ich hoffe, er schmort in der Hölle. Schauen Sie sich nur meine Zähne an!«
    »Warum sind Sie denn das letzte Mal zurückgekehrt?«, fragte Elina, obwohl sie die Antwort kannte.
    »Er hatte versprochen, dass es nie wieder vorkommen würde. Ich weiß, ich bin eine dumme Gans. Schließlich verspricht er es jedes Mal.«
    »Die erste Verurteilung war 1999«, erklärte Elina, »also vor fünf Jahren. Sie sind seit vierzehn Jahren verheiratet. Wann hat er Sie zum ersten Mal geschlagen?«
    »In den Flitterwochen. Wir waren auf den Kanarischen Inseln, und er war betrunkener als je zuvor.«
    Sie beugte sich zu Elina vor. »Ich habe ihn damals nicht angezeigt, aber ein paar Jahre später habe ich es dann getan. Er stritt alles ab, und die Polizei hat das Verfahren eingestellt. Es kümmerte einfach niemanden. Dann gab es irgendwie kein Zurück mehr, irgendwie. Ich kam nicht weg. Wenn Sie ihn schon beim ersten Mal eingebuchtet hätten, wäre es nicht soweit gekommen.«
    Elina nickte. Sie konnte ihr nur recht geben.
     
    Als die Frau wieder gegangen war und sie das Verhör protokolliert hatte, nahm Elina sich die Akten aus Piteå wieder vor und las den restlichen Nachmittag darin. Es fiel ihr immer schwerer, nicht in dem Fall aufzugehen; ihr Gehirn arbeitete wie ferngesteuert. Unbewusst begann sie nach Lücken in der Ermittlung zu suchen, nach Fehlern, die ihre Kollegen gemacht hatten. Ylva Marieanne Malmberg war von zwei Skiläufern in der Nähe von Jäkkvik, einem kleinen Ort etwa achtzig Kilometer von der norwegischen Grenze entfernt, gefunden worden. Die Kopie einer Landkarte lag den Akten bei, und der Fundort war mit einem Kreuz markiert. Er lag ganz in der Nähe des Fernwanderwegs Kungsleden, der an Jäkkvik vorbeiführte. Elina war nie in diesem Teil des Fjälls gewesen und konnte sich daher die Gegend nicht besonders gut vorstellen.
    Dem Gerichtsmediziner zufolge hatte die Leiche mindestens ein halbes Jahr dort gelegen. Als man sie entdeckt hatte, war sie fast komplett mit Schnee bedeckt gewesen. Elina fuhr mit dem Finger über die Zeilen des medizinischen Gutachtens, versuchte sich einen Reim darauf zu machen und den Fachjargon in allgemein verständliches Schwedisch zu übertragen.
    Plötzlich zog
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